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Selbstmord der Engel

Selbstmord der Engel

Titel: Selbstmord der Engel
Autoren: Jason Dark
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sich noch immer im sichtbaren Bereich der Küste. Allerdings nicht dort, wo sich kleine Städte oder Orte angesiedelt hatten. Auf keinen Fall wollte sie von irgendwelchen Zeugen entdeckt werden.
    So gern sie über das Wasser flog und die Winde sowie die klare Luft genoss, ein Flug konnte nicht ewig dauern. Sie hatte Maxine versprochen, bei Anbruch der Dunkelheit wieder zurück zu sein, und sie wollte ihre mütterliche Freundin nicht enttäuschen.
    Deshalb drehte sie um.
    Auch hierbei ließ sie sich Zeit. Sie nahm wieder die Kraft der Luftströmungen in Anspruch. Sie drehte sich dabei spiralförmig dem Wasser entgegen, ohne die Oberfläche zu erreichen.
    Eine gewisse Höhe hielt sie schon bei. Und sie schaute auch, ob sich etwaige Gegner in der Nähe befanden.
    Nichts.
    Nur Vögel, die ebenfalls ihre Kreise zogen. Möwen und Seeschwalben flatterten noch mal auf das Meer hinaus, auf der Suche nach einer letzten Nahrung, bevor auch sie sich zur Ruhe legten.
    Carlotta war allein.
    Jetzt hieß die Richtung Westen. Dort malte sich die schottische Küste ab. Etwas südlich sah sie Lichter von Dundee. Da musste sie hin, aber sie wollte nicht auf dem direkten Weg fliegen. Einen kleinen Umweg konnte sie sich schon gönnen, um dort das Meer zu verlassen, wo es an Land einsamer war.
    Da sah die Küste auch ursprünglicher aus. Da ragte sie steil in die Höhe. Felsig trotzte sie den anlaufenden Wellen der Nordsee. Seit Jahrmillionen hielt sie ihr das steinerne Gesicht entgegen, das sich auch durch das Wasser verändert hatte. Ausgewaschen, hineingefressen in Höhlen und kleine Schluchten, durch die Wasser schäumte, bevor er sich wieder zurückzog und einen erneuten Anlauf nahm.
    An manchen Stellen ragten Felsen aus dem gischtenden Wasser. Bei Sturm wurden sie überspült. Wenn die See ruhiger war, dann erinnerte sie mehr an Buckel oder Köpfe irgendwelcher schlafenden und längst versteinerten Meeresbewohner.
    Der wogende Teppich unter ihr war nicht nur grau. Es gab genügend helle Stellen. Gischtfahnen und Strudel, die sich auf der Oberfläche als helle Streifen und Kreisel abmalten.
    Carlotta hatte sich für den Rückweg entschlossen. Ihre Eile hielt sich in Grenzen. Sie flog mit nahezu gemessenen Bewegungen weiter und bewegte ihre Flügel nur, wenn es unbedingt nötig war.
    Das Land rückte näher, und die Umgebung um sie herum veränderte sich, denn jetzt musste der Tag einsehen, dass er seinen Kampf gegen die Nacht verloren hatte.
    Das Licht schwand. Es war zwar noch im Westen zu sehen, doch auch dort verlor es immer mehr an Kraft. Seine Röte zog sich zurück. Die schwarzgrauen Schatten waren stärker, und die letzten hellen Streifen wurden auch immer schmaler.
    In der Nacht würde es auch nicht richtig finster werden, das hatte Maxine ihr gesagt. Der Tag war einfach zu klar und sonnig gewesen. Weiter im Norden wurde es so gut wie gar nicht dunkel, doch auch hier in Dundee bekamen die Menschen etwas davon mit. Besonders dann, wenn ein so prächtiger Tag die Mittsommernacht einläutete.
    Es gab auch in der schottischen Stadt nicht wenige Menschen, die sich dem Brauch der Skandinavier hingaben und dies ausgiebig feierten.
    Carlotta nahm sich vor, mit Maxine darüber zu reden. Vielleicht setzten auch sie sich noch zusammen, tranken etwas und begrüßten so den Sommer. Es würde Carlotta gefallen, und deshalb beeilte sie sich jetzt auch, das Ufer zu erreichen.
    Kraft- und schwungvoll bewegte sie ihre Flügel. Dabei kam sie sich vor wie ein Schiff, das durch mächtige Wogen fuhr und sich seinen Weg dabei erkämpfte. Auch sie spürte den Widerstand der Luft, der sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. Auf eine Flugbrille hatte sie verzichtet. Jetzt hätte sie gern eine gehabt, denn der Wind biss in ihren Augen, wenn sie so schnell flog.
    Um die Geschwindigkeit beibehalten zu können, schloss sie die Augen wieder. Jetzt gab sie sich voll und ganz dem Rauschen der Luft hin und auch den eigenen Bewegungen. Die Arme hatte sie nach hinten gedrückt und gegen den Körper gelegt, bis sie das Gefühl hatte, die Augen wieder öffnen zu müssen, um den ersten Blick in die Tiefe zu werfen.
    Die Küste war nah. Sehr nah sogar. Die Felsen dort schienen ihr entgegenzuschwingen. Die Brandung wuchtete mit urwüchsiger Kraft gegen das Gestein. Sie schickte ihre hellen Schleier aus Gischt an den dunklen Wänden hoch und röhrte dabei wie ein wildes Tier, das endlich aus seinem Gefängnis befreit werden wollte.
    Auf ihren nächtlichen Ausflügen hatte
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