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Selbstmord der Engel

Selbstmord der Engel

Titel: Selbstmord der Engel
Autoren: Jason Dark
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hören, als wäre Charon, der Fährmann aus dem Totenreich, erschienen, um das Schiff in die Tiefen der Hölle zu geleiten.
    Es blieben nur wenige Menschen an Deck. Ein Mann kniete auf dem Boden und hielt sich seinen Kopf. Nicht weit von ihm entfernt kroch jemand auf allen vieren über die Tanzfläche hinweg. Die Panik hatte sich von der Tanzfläche aus verlagert, und die Stimmung war völlig auf dem Nullpunkt angelangt.
    »Mein Gott, John, was war denn das?«
    »Ich weiß es noch nicht«, flüsterte ich und schaute auf die liegende Gestalt, die sich nicht mehr bewegte.
    War sie wirklich ein Fallschirmspringer gewesen, den der Zufall auf das Deck geschmettert hatte? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich wollte mir Klarheit verschaffen und bewegte mich auf den Liegenden zu.
    Der Rücken erschien mir etwas anders als der eines normalen Menschen. Dort hing zwar kein Fallschirmbuckel, aber seine Form war doch eine andere. Ich machte noch einen großen Schritt und blieb neben ihm stehen, wobei ich mich bückte.
    Die Gestalt lag auf der Seite. Der dünne Kleiderstoff hatte sich auf die Haut gelegt, aber das war für mich nicht mehr wichtig. Der nächste Blick traf das Gesicht. Anhand seiner Züge war nicht zu erkennen, ob es sich bei dem Gestürzten um eine Frau oder einen Mann handelte. Sie hätten zu beiden gepasst.
    Ich blickte noch genauer hin. Jetzt untersuchte ich den Rücken der Gestalt, und Glenda, die ebenfalls hinschaute, sprach flüsternd das aus, was ich dachte.
    »John, das ist... das ist... ein Engel...«
    ***
    Nach Carlotta’s Anruf hatte Maxine Wells, die Tierärztin, keine ruhige Minute mehr. Was ihr Carlotta gesagt hatte, klang unglaublich. Doch sie hatte es sich abgewöhnt, nur an die Dinge zu glauben, die auch rational erklärbar waren. Zu viel Unglaubliches und auch Ungeheuerliches hatte sie in den letzten Monaten erlebt. Mit ihrer Schwester, einer Rattenkönigin, hatte es angefangen, und danach war ihre Welt nie mehr wie früher gewesen. Die unglaublichen Ereignisse hatten sich gehäuft. Sie waren zu einer Kette geworden, die nie abreißen wollte, obwohl Maxine Wells es sich immer gewünscht hatte.
    Nein, sie würde sich nicht mehr drehen können, und wenn sie über Carlotta nachdachte, musste sie einsehen, dass sie in einer Welt lebte, in der das Unnormale normal geworden war und sich Tore zu anderen Dimensionen und Reichen geöffnet hatten.
    Es passierte nicht jeden Tag, doch wenn es eintrat, dann mit einer regelrechten Urgewalt, und das war in dieser Nacht wieder der Fall gewesen.
    Ausgerechnet Carlotta hatte es erwischt, ihren Schützling, um den sie sich so große Sorgen machte. Zum Glück hatte Carlotta dieses Abenteuer überstanden, aber Maxine nahm sich fest vor, das Vogelmädchen nicht mehr so oft allein fliegen zu lassen.
    Jetzt wartete sie nur darauf, dass Carlotta zurückkehrte. Das tat sie nicht im Haus, sondern ging in den großen Garten, der von der Straße her nicht einsehbar war.
    Zum Haus gehörte auch ein Anbau, in dem sich die Praxis der Tierärztin befand. Dort existierten auch einige Ställe, in denen sie kranke Tiere aufnahm, die länger bei ihr bleiben mussten.
    Im Moment hatte sie keine Vierbeiner zu pflegen. Maxine Wells konnte die Ruhe der Nacht genießen, aber ihre Nervosität ließ sich nicht unterdrücken. Zwar hatte sie einen Stuhl nach draußen gestellt, in dem sie sich niedergelassen hatte, aber das konnte es auch nicht sein. Sie wollte nicht mehr sitzen. Sie wollte schauen, den Himmel absuchen, und sie rechnete immer nach, wie lange es dauern würde, bis Carlotta den Weg zurückgelegt hatte.
    Die Ärztin mit den blonden, mittellang geschnittenen Haaren wanderte über den Rasen auf und ab. Sie trug nur leichte Schlappen, sodass die Halme über ihre nackten Füße kitzelten.
    Dass sie in einer ruhigen Gegend wohnte, hatte sie so gewollt. Auch jetzt breitete sich eine Stille aus, die von keinem Geräusch unterbrochen wurde, sei es nun vor oder hinter dem Haus. Wie in einem riesigen Zelt kam sie sich vor, bei dem die Decke durch den Himmel gebildet wurde. Es war längst dunkel geworden. In der klaren Luft funkelten die Sterne. Als Maxine zu ihnen hochschaute, dachte sie an das, was ihr Carlotta berichtet hatte.
    Die Selbstmörderin war aus dem Himmel gefallen. Dabei hätte sie fliegen können, und dass dies so war, lag an ihren Flügeln. Also war sie auch kein normaler Mensch, sondern tatsächlich ein Engel. Oder ein genmanipuliertes Wesen wie Carlotta
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