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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
Autoren: Torsten Sträter
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in Urlaub wäre und ein Erdbeben würde die Staudämme brechen lassen, was zur schlampigen Evakuierung der königlichen Rottweilerzucht führen würde, die entfesselt durch meine Windschutzscheibe sprängen und mit ihren starren Kötergesichtern gegen meinen Kiefer knallten – dann würde ich anschließend im Helikopter hocken, »Hunde, wollt ihr ewig leben?« brüllen und an die greinenden Vorstandsleute meiner Versicherung denken. Würde ich draufgehen, wäre ich wahrscheinlich sogar der Nick Leeson der Versicherungsbranche, zumindest, wenn mein Bestatter der Auffassung wäre, meine Zähne müssten direkt vor Grubenfahrt noch überkront werden.
    Wir waren im Geschäft.
    Â»Die Police geht Ihnen in den nächsten Tagen zu«, sagte er und verließ meine Wohnung, nicht ohne mich noch darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hätte.
    Sechs Wochen sind seitdem vergangen.
    Ich habe das Haus nicht mehr verlassen. Wozu auch?
    Zwei Stangen Zigaretten hatte ich sowieso noch in der Schublade, und Kino? Nö. Ist mir die Lust drauf vergangen, und die Filmzeitschrift CINEMA kommt im Abo.
    Heute um Mitternacht läuft die Sperrfrist der Versicherung ab. Ab null Uhr eins kann der Globus implodieren, gerne zur Melodie von »Who let the Dogs out?«.
    Ich werde richtig nervös, wenn ich dran denke – jetzt eine qualmen, und vor mir liegt auch eine Zigarette im Ascher, aber ich darf aus Kostengründen erst in acht Minuten wieder dran ziehen.
    Null Uhr sieben.
    Wenn ich Bond wäre, würde mir Q jetzt einen Schlitten offerieren, der außer fahren auch noch im Dortmund-Ems-Kanal tauchen könnte, während Musik von Jerry Goldsmith aus den Boxen wabert; das Ding hätte alles: Servolenkung, Raclettegrill im Handschuhfach, einen Kaugummiautomaten, in dem nur die Roten drin sind, die nach Kirsche schmecken, Torpedos mit Atomsprengköpfen.
    Wann knallt die Regierung ein Dia von mir in Schlappen und bequemer Kleidung in den Himmel, um meine Dienste anzufordern? Ich bin der 160000-Euro-Mann mit 35 % Selbstbeteiligung und Krankenhaustagegeld! Also faktisch unsterblich.
    Null Uhr dreiundvierzig.
    Nix passiert.
    Da!
    â€¦Â nö.
    Erst dachte ich, jetzt knallt’s, jawoll, aber das war nur mein Kreislauf.
    Zeit, was zu unternehmen: Ich mache drei Xe, öffne eine Flasche Sekt, ziehe feste Schuhe an und trete in meinen Spiegelschrank.

Warum nicht gleich so?
    E s war einer jener beunruhigenden Träume, in denen man redet, wie einem der Schnabel gewachsen ist, was in Träumen mitunter funktioniert, in der Realität aber oftmals dazu führen mag, dass einem der Schnabel mit der Faust weggedroschen wird.
    Im Traum trug ich nur eine dieser seitlich aufzuknöpfenden Jogginghosen und Schneeschuhe, und die Bürokraten meines Unterbewusstseins hatten mir exklusiv für diesen Traum ein Monchichi in die Hand gedrückt. Das Reizende an Träumen ist immerhin, dass man derartigen Dreck nicht hinterfragt und stattdessen andere Belange in den Fokus rückt, wenn auch allzuoft diese Belange nichts anderes sind als im Traum vorbeischwebende Mettbrötchen mit Zwiebeln.
    Jedenfalls stand ich da, die Hände an der Hosennaht, meinen Blick fest auf sie gerichtet, sie, die Überfrau, und dann sprudelte es aus mir heraus. Meine Stimme hatte Hall, viel Hall, wie auf einem Peter-Heppner-Konzert, und ich erinnere mich, gedacht zu haben, dass Taco Gonzales, der Tontechniker in meinen Träumen, wieder zuviel Eierlikör gesoffen haben musste, was mir aber egal war, denn immerhin waren meine Träume so penibel konstruiert, dass ich einen Tontechniker hatte, wenn das auch nicht gegen die Mettbrötchen half, die mich umschwebten.
    Ich sagte also zu ihr: Hör mal, du, wir müssen reden, dringend reden, denn ich denke, wir sind an einem Punkt in unserer Beziehung angekommen, wo wir, um mal den Terminus der Bluesmusiker zu bemühen, another crossroad einschlagen müssen, wo der Weg ein neuer wird, kein anderer, nur ein neuer, wo wir uns mal umorientieren, will sagen: umorientieren – oder halt, lass mich erklären, umorientieren.
    Mein Hang, in Träumen alltägliche Begriffe zu erklären, indem ich den exakt identischen Begriff benutzte, um diesen dann wieder mit demselben zu erläutern, war lästig, störte aber weniger als die Scheißmettbrötchen.
    Jedenfalls, fuhr ich fort, finde
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