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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Autoren: Eleanor Moran
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auf den Koch, der ganz Feuer und Flamme am Empfangstresen wartet. Sie entfernt sich, um ihn zu holen, und ich verabschiede mich rasch, bevor ich den Rückzug antrete.
    »Warten Sie«, ruft Oscar. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    »Welche Frage?«, sage ich und drehe mich um.
    »Was würden Sie kochen, jetzt gleich, wenn Sie bei mir Eindruck schinden wollten?«
    Lydia begrüßt bereits den eifrigen Jungen, sodass mir so gut wie keine Zeit zum Nachdenken bleibt. »Coq au vin«, sage ich hastig. »Mit winzigen Bratkartoffeln.« Oscar sieht mich völlig verdutzt an, was wenig überrascht, da selbst Mrs Beeton ein derartiges Gericht in ihrem viktorianischen Haushaltsbuch als zu retro erachtet hätte.
    »Ich weiß, dass sich das lächerlich anhört, aber der Grund, weshalb ich überhaupt koche, ist mein Vater. Seine Gerichte waren nie haute cuisine oder ausgefallen, aber alles, was er kocht, schmeckt äußerst … wahrhaftig.« Bemüht, Oscars offensichtliche Verachtung zu überwinden, haspele ich weiter. »Das klingt total blöd, aber was ich damit sagen will, ist, dass er es schafft, alle Zutaten perfekt zu kombinieren und abzuschmecken. Er kocht mit absoluter Integrität … und ich bilde mir ein, dass auch Sie ein wenig so kochen.«
    »Glauben Sie mir, Sie werden mich nicht dabei ertappen, dass ich in nächster Zeit Coq au vin auftische«, entgegnet Oscar frostig.
    »Das habe ich damit nicht gemeint …« Doch bevor ich mir ein noch tieferes Grab schaufeln kann, werde ich von Lydias Ankunft unterbrochen, den eifrigen Jungen tatsächlich tänzelnd im Schlepptau. »Wiedersehen«, murmele ich, aber Oscar kann mich nicht hören, weil sie bereits die Glanzpunkte seines zweifellos weltbewegenden Lebenslaufs deklamiert.
    Ich verdrücke mich so schnell ich kann und beschimpfe mich selbst. Wie konnte ich nur so naiv sein und als meine Spezialität Coq au vin anführen? Es durchzuckt mich heiß, als mir einfällt, dass Dom mich niemals aus dem Haus gelassen hätte, ohne eine hieb- und stichfeste Antwort auf diese offensichtlichste aller Fragen zu haben. Wann werde ich endlich aufhören, bei jedem Thema sofort wieder an ihn zu denken?
    Ich bin einfach unglaublich undankbar, anders kann man es nicht ausdrücken. Milly ist hinreißend, sie schüttet literweise Wein in meine Kehle und wird nicht müde, mir zu versichern, dass jede Menge anderer Jobs auf mich warten. Es hilft, es hilft tatsächlich, aber nachdem es anders gelaufen ist als erwartet, wird mir plötzlich bewusst, wie sehr ich auf diesen Job gesetzt habe. Es erinnert ein wenig an Schulzeiten, wenn der tollste Junge der Oberstufe mit dir ausgehen will, dich dann jedoch kurzerhand am Samstagabend sitzenlässt. Genau, ich bin mir selbst überdrüssig. Ich schenke Millys Glas bis zum Rand voll und frage sie nach dem derzeitigen Stand der Dinge mit dem Mokassins-Veterinär.
    »Wir müssen damit aufhören, ihn ständig an seinen Schuhen zu messen«, meint Milly tadelnd. »Ich bin entschlossen, ihm eine Chance zu geben.«
    »Wie heißt er gleich noch mal? Neil? Neil der Tierarzt?«
    »Sag das nicht so«, erwidert Milly lachend. »Hi«, sagt sie und schaut mir dabei tief in die Augen, »ich bin Neil, und ich bin hier, um Ihren Hamster zu ersticken.«
    »Keine Sorge, ein so kleiner Körper empfindet auch nur ganz wenig Schmerz«, ergänze ich in bester Dr.-Crippen-Imitation.
    »Hör auf«, sagt Milly unter Lachkrämpfen. »Im Ernst, ich werde ihm einen Freitag opfern, dann sehen wir ja, ob es wirklich funkt, wenn wir uns keine Sorgen machen müssen, dass am nächsten Tag wieder die Arbeit auf uns wartet.«
    Die gehässige Seite in mir fragt sich, wie viel Stress wohl siebenstündiges Teekochen verursacht, aber das kommt nur daher, weil mir vor der morgigen sechzehnstündigen Doppelschicht und dem Zubereiten von Risotto primavera für Arschlöcher in Geländewagen graut.
    »Das solltest du auch tun, aber versuch nicht …« Ich suche nach den richtigen Worten, um nicht allzu bevormundend zu klingen. »Zwing dich nicht dazu. Wenn es nicht stimmig ist, ist es das eben nicht.«
    Milly wendet sich mir zu, und der elende Blick in ihren blauen Augen setzt eine Woge des Mitgefühls in Bewegung. Und damit meine ich nicht die schon mal beschriebene simulierte Version, in der sich Selbstzufriedenheit und Herablassung die Hand reichen, ich meine echtes Mitleid, weil sie noch nie die wahre Liebe empfunden und nie erfahren hat, wie es sich anfühlt, wenn man sich seiner Liebe
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