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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Autoren: Eleanor Moran
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sie und lässt mich allein zurück. Aber noch ehe sie halbwegs den Raum durchmessen hat, kommt er schon durch die Schwingtüren geschossen, die weiße Kleidung mit Blut bespritzt. Vielleicht haben sie meinen Termin vorgezogen, weil sie den Kandidaten von 11:30 Uhr geschlachtet haben? Lydia hebt die Hand, um ihn aufzuhalten, aber er prescht voran.
    »Ja, ich sehe, dass sie da ist«, sagt er über ihre Schulter hinweg und streckt seine schwielige Hand in meine Richtung aus. »Nun kommen Sie schon«, sagt er und macht eine ruckhafte Kopfbewegung Richtung Theke. »Ich hab nicht lang Zeit.«
    Scheinbar unbeeindruckt pflügt er durchs Chaos des Gastraums. Ich bemühe mich, nicht zu trippeln, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, unterwürfig oder eingeschüchtert zu sein. Um an einem Ort wie diesem zu überleben, muss man als Frau männlicher auftreten als ein Mann. Während ich ihm hinterhereile, betrachte ich ihn eingehend. Er ist kleiner, als das Foto vermuten ließ, kompakt und muskulös. Die Art, wie er sich durch den Raum bewegt, hat was Animalisches, eine Überlebensstrategie, die der Angst, die ich um mich herum förmlich riechen kann, ihre Berechtigung gibt. Ich glaube nicht, dass er mir sehr sympathisch ist.
    Mühelos schwingt Oscar sich auf einen Barhocker, und ich versuche, es ihm gleichzutun. Leider verfehle ich mein Ziel und rutsche seitlich wieder hinunter, bevor ich mich linkisch hinaufhieve. Ein Cowboy ist an mir nicht verlorengegangen.
    »Was zu trinken?«, fragt er.
    »Äh, ein Glas Wasser wäre nett.«
    »Nun übertreiben Sie’s mal nicht …« Er wirft einen Blick in die Bewerbung, die er in der Hand hält. »Amber«, beendet er den Satz und schenkt mir ein unerwartetes schiefes Lächeln.
    »Sie würden mich bestimmt nicht einstellen, wenn ich um einen Tequila bitten würde«, erwidere ich und frage mich sogleich, warum ich so dreist bin.
    »Einen Tequila könnte ich verzeihen, aber eine Flasche 1974er Pétrus, und Sie fliegen«, kontert er und richtet diese eindringlichen blauen Augen auf mich. Aber nein, er gefällt mir nicht. Ich mag trottelige Chaoten – Männer, die nicht wissen, dass sie sexy sind. Im Grunde genommen Männer, die auf Marmite-Brotaufstrich stehen. Und da verspüre ich einen leichten Stich, ausgelöst durch den Gedanken an Doms feste elastische Locken. Gegen diese jüdische Haarpracht ist man machtlos, und sein Gesicht ist nicht hübsch genug, um sie aufzuwiegen. Ich denke, dass seine schlaksige Unbeholfenheit seine Antriebskraft im Leben war und ihn zu einem großartigen Maître d’ gemacht hat. Er musste für alles, was er kriegen wollte – mich eingeschlossen, rohen Charme einsetzen, und diese Herausforderung hat ihn high gemacht. Vielleicht kam Rachel genau in dem Moment, als er wieder eine Dröhnung brauchte.
    »Jedenfalls weiß ich, warum man vor der zweiten Runde besser nicht darum bittet.«
    »Wir haben hier Mittagstisch, also vergessen Sie die zweite Runde«, sagt er, und jegliches Zwinkern ist wie weggewischt. »Nun erzählen Sie mir« – er schaut wieder nach unten – »vom Byron’s.« Sein Tonfall nimmt in Erwartung meiner Antwort bereits eine abwertende Färbung an.
    »Es ist eins der besten Häuser in Richmond«, sage ich, und er sieht mich dabei an, als wäre das ein Widerspruch in sich. »Ich arbeite dort schon seit ein paar Jahren, und ich denke, ich habe die Küche dort ein wenig aufgemöbelt.« Kann man sich noch mehr verhaspeln? Er lässt seinen Blick durch den Raum schweifen, so gelangweilt ist er. »Ich habe bei den Lieferanten radikale Einschnitte gemacht und mich darauf konzentriert, nur die Besten der Besten zu bekommen …«
    »Genial«, sagt er. »Und was haben Sie abgesehen davon, dass Sie die Supermärkte ins Aus befördert haben, sonst noch gemacht? Was kochen Sie eigentlich? Vergessen Sie’s«, sagt er und winkt ab. »Vermutlich kochen Sie Risotto primavera für Arschlöcher im Geländewagen.« Er beugt sich vor. »Was würden Sie denn gern kochen? Wenn ich Ihnen meine Küche überließe, was würden Sie tun? Übrigens, ich habe das nicht vor«, ergänzt er mit stechenden Augen.
    Ich sehe mich im Raum um und fühle Verzweiflung aufkeimen. Es bedeutet mir so viel, ihn aus der Reserve zu locken und ihm zu beweisen, dass ich die Person bin, die er braucht. Den Grund dafür weiß ich nicht, vor allem nicht, wenn man überlegt, was für ein widerwärtiger Arsch er ist. Aber eine Niederlage kann ich unmöglich hinnehmen, und jetzt schon gar nicht.
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