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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Autoren: Eleanor Moran
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dieses Restaurant auszeichnete. Und ich wette darauf, dass er für Oscars Überzeugung, das Rad neu erfinden zu können, nur Verachtung übrig hat, und unsere Unfähigkeit, ihm das mit Fanfaren angepriesene tägliche Spezialgericht zu liefern, gäbe ihm den perfekten Aufhänger für einen totalen Verriss.
    Ich höre hinter mir Stimmen laut werden und werde für einen Augenblick zurück in die Kindheit versetzt, in meine längst vergessene Fantasievorstellung, dass das, was ich nicht sehen kann, auch nicht existiert. Aber als die Lautstärke zunimmt, zwinge ich mich doch, mich umzudrehen, und nehme zum ersten Mal seit meinem Vorstellungsgespräch mit Oscar Blickkontakt auf. Du lieber Himmel, hätte ich das bloß sein lassen! Er kocht förmlich über vor Weißglut. In grimmigem Zorn hält er sich mit seinen kraftvollen Händen an seinem Kochplatz fest.
    »Ihnen ist doch wohl klar, dass Sie für den Fisch verantwortlich sind?«
    »Ja, Chef«, antworte ich so demütig wie möglich.
    »Wenn Sie nicht mal bei einem verdammten Spezialgericht richtig zählen können, taugen Sie als Fischmädchen nicht viel!«, brüllt er und unterstreicht seine Worte, indem er auf die Theke einhämmert. Er hat wirklich was Höchstbeängstigendes an sich, dieses Animalische, das ich schon bei unserer ersten Begegnung entdeckt habe. Als würde jede Empfindung seinen sehnigen Körper mit der gleichen Geschwindigkeit wie sein Gehirn durchlaufen. Doch ich werde mich nicht einschüchtern lassen. Ich weigere mich, mich einschüchtern zu lassen. Bin ich eine Maus oder ein Mensch? Ein Chihuahua oder eine Köchin? Mist, ich werde alles auf eine Karte setzen.
    »Ich bitte doch nur um Unterstützung«, fährt er fort. »Wenn Sie nicht mal das hinbekommen …« Ehe er Zeit hat, mich zu feuern, falle ich ihm ins Wort.
    »Ich will Sie ja unterstützen, und deshalb müssen Sie mir jetzt zuhören.« Ich sehe eine neue Woge des Zorns auf mich zurollen, als ich ihn unterbreche, aber er lässt mich weiterreden. »Tisch drei ist nicht einfach nur irgendein Tisch, es ist Tristram Fawcetts Tisch.«
    »Fawcett ist hier?«, krächzt er. Jetzt ist er weiß im Gesicht, und ich glaube zu spüren, dass er Angst ausstrahlt, nicht nur Wut. Es ist noch keine sechs Monate her, dass er sich von Angus Torrence getrennt hat, und sein eigener Ruf hat sich noch nicht ausreichend etabliert, um der scharfen Kritik standhalten zu können, die am nächsten Sonntag womöglich auf ihn abgefeuert werden wird. Ich nutze den Moment des Schocks, um weiterzureden. Mag sein, dass ich mit dem Feuer spiele und auf dem besten Weg bin, meinen Job zu verlieren, aber kampflos werde ich das nicht geschehen lassen.
    »Ich werde Forellen für Sie holen, Chef. Vertrauen Sie mir bitte, selbst wenn ich mit bloßen Händen einen Fisch aus dem Kanal holen müsste.« Woher kam das denn? Erst nachdenken, dann reden. Das muss ich mir endlich mal merken. »Nun, Sie wissen schon, was ich meine. Ich werde welchen besorgen, wenn Sie Fawcett eine halbe Stunde bei Laune halten können. Was Sie natürlich …«
    »Himmel noch mal, können Sie endlich mit diesem Mist aufhören? Machen Sie doch, was Sie wollen«, sagt er und winkt abwehrend. »Na los, machen Sie schon. Wir werden die Vorspeisen in die Länge ziehen und auf ein Wunder hoffen.«
    Er dreht mir den Rücken zu, um mit den Souschefs zu sprechen, während ich mir meinen Helm aus dem Spind hole und durch die Tür renne. Ich zittere, bin aber fest entschlossen, ihm zu beweisen, dass er im Irrtum ist. Ich rechne mir zwar keine allzu großen Chancen aus, aber wie ein Idiot dastehen will ich nicht. Er hatte mich zur Minna gemacht, und ich hatte jedes Wort verdient. Jedenfalls hatte Mike es verdient. Ich fass es nicht, dass er so schamlos und dreist war, mich den Kopf dafür hinhalten zu lassen. Er starrt mich an, als ich zur Tür renne, und scheint sich zu wundern, warum ich ihn nicht angeschwärzt habe. Doch ich will keine Zeit mit »er hat gesagt, sie hat gesagt« verlieren.
    Ich springe auf mein Moped, drücke mir den Helm auf den Kopf und düse los Richtung Clerkenwell. Mein erster Halt ist das Pellegrino, ein hochpreisiger Italiener in bester Lage. Dort ist mein Freund Bruce oberster Souschef, und ich weiß, dass er ein großer Fischfreund ist. Ich hatte anzurufen versucht, aber keiner geht mitten im Samstagabendservice ans Telefon. Verschwitzt und behelmt komme ich zum Hintereingang. Ich habe den Weg glatt in vier Minuten geschafft. Wenn es Oscar gelingt,
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