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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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noch nicht in einer Talkshow gesehen hat. Das ist doch nur eine barfüßige Frau mit Downsyndrom, möchte ich ihm sagen, Hand in Hand mit einer leicht übergewichtigen Sozialarbeiterin .
    Nachdem ich Eleanor in eines der hinteren Büros bugsiert habe, wo sie auf ihre Betreuerin warten soll, kehre ich zur Anmeldung zurück, um diese dort abzufangen. Ich hasse sie bereits jetzt, diese unbekannte Schlampe, die Eleanor im Stich gelassen hat, und ich sehne mich danach, ihr die Meinung zu geigen. Endlich kommt eine blasse Blondine mit randloser Brille zur Tür herein. Mit wichtiger Miene und der Figur eines Models für Bademoden kommt sie auf mich zugeeilt, als wisse sie genau, dass ihr mit diesem Körper keiner etwas anhaben kann. Sie mustert mich, kommt dann geschmeidig heran und drückt mir fest die Hand.
    »Miss Plow? Ich bin Chelsea Hannigan von der Initiative Cooperative Living.« Ihre Stimmer erinnert mich an Ingas, schrill und spitz. »Wo ist Eleanor?«, fragt sie.
    »Wo sie jetzt ist? Oder wo sie heute Nacht war?«
    Ihr Blick umwölkt sich, als flöge ein Schwarm Fruchtfliegen daran vorbei. Wie ich sie dafür hasse, dass ihr die Brille so gut steht. Als sie den Mund aufmacht, um etwas zu erwidern, blickt der Herr von seiner Zeitschrift auf.
    »Miss Plow«, sagt sie, »ich war letzte Nacht nicht für Eleanor zuständig …«
    »Darum geht es gar nicht, Miss Hannigan«, falle ich ihr ins Wort. »Sondern darum, dass sie allein war. Im Stich gelassen. Wissen Sie eigentlich, wie das ist, zu glauben, dass jemand nach einem sieht, nur um dann festzustellen, dass er es nicht tut? Dass man Sie total vergessen hat? Dass Sie auf sich allein gestellt sind?«
    Chelsea Hannigan starrt mich an. Anscheinend habe ich gebrüllt. Sie hat mir gerade gesagt, dass sie gar nicht zuständig war letzte Nacht. Selbst dem Mann auf dem Chromstuhl kommen meine Worte ein bisschen melodramatisch vor. Er blickt vorsichtig auf und schaut dann schnell wieder nach unten in seine Zeitschrift. Vermutlich erkennt keiner von den beiden, dass ich aus Erfahrung spreche, dass ich gerade jetzt diese Erfahrung mache, im Stich gelassen zu werden, dass ich der Inbegriff des Im-Stich-gelassen-Werdens bin und dass ich nicht die geringste Lust habe, den Schwarzen Peter wegen Eleanors schlechter Behandlung zugeschoben zu bekommen. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Gerade will ich Chelsea Hannigan noch weiter runterputzen, als mein Handy beginnt, die Titelmelodie von Die Stunde des Siegers zu spielen.
    Teddy. Was hat er sich nur für einen bescheuerten Klingelton ausgesucht. Ein Mann, der sich einhundert Paar Joggingschuhe kauft und dann mit dem Auto zur nächsten Straßenecke fährt, um eine Zeitung zu holen. Und trotzdem. Meine Hand gleitet wie die eines Diebes in meine Tasche. »Eine Sekunde«, sage ich zu Chelsea Hannigan, und sie blickt erleichtert drein, als ich aus dem Anmeldebereich in die Toilette trete, die Eleanor gerade freigemacht hat. Ich schließe die Tür hinter mir ab und setze mich auf die Toilettenbrille.
    »Roseanna«, sagt Teddy in steifem, kaltem und anklagendem Tonfall. »Ich möchte mir verbitten, dass du ständig bei mir und Inga anrufst.«
    Das bringt mich auf die Palme. »Und wie soll ich dich dann bitte schön erreichen?«, fauche ich.
    »Wozu willst du mich erreichen? Ich versuche hier nur, für Recht und Ordnung zu sorgen, und schätze es nicht …«
    »Wo genau?«, unterbreche ich ihn und streiche meinen Rock glatt.
    »Wie bitte?«
    »Wo genau versuchst du, für Recht und Ordnung zu sorgen? Im Haus meiner besten Freundin? In ihrem Bett? Weil ich dich nämlich todsicher SEIT MEHR ALS EINER WOCHE NICHT ZU HAUSE GESEHEN HABE!«
    Mir fällt auf, dass ich das Schreien von eben noch übertroffen habe. Jetzt kreische ich. Ich sitze kreischend auf einer Klobrille. Gott sei Dank sitzt meine Mutter nicht nebenan und hört zu. Wäre Milton hier, würde er mich nicht mehr schön finden. Er würde mich für verrückt halten. Denk daran, wie wir am Arbeitsplatz miteinander sprechen . Aber Teddy hat den Platz an meiner Seite verlassen, und das ertrage ich nicht länger. Er soll wissen, dass es mies ist, was er mir angetan hat. Er soll wissen, dass er ein Arschgesicht ist, wie Marcie es formuliert hat. Ich muss herausfinden, warum er fort ist und ob irgendwo in den Tiefen seines kleinen Gehirns noch ein Restchen Liebe für mich schlummert. Und da kommt mir plötzlich eine hervorragende Idee.
    »Teddy«, sage ich in möglichst bedrohlichem Ton.
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