Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
erzählen, und es beunruhigte mich, ob ich nicht noch andere faule Sachen gemacht hatte.«
    »Sehr begreiflich«, sagte Wimsey und drückte auf die Klingel. Als der Kellner erschien, bestellte er zwei Drinks und machte sich bereit, auch noch den Rest von Mr. Duckworthys Abenteuern anzuhören.
    »Trotzdem dachte ich nicht allzu lang darüber nach«, fuhr der kleine Mann fort, »wir kamen an die Front, ich sah die ersten Leichen und entging der ersten Granate und bekam die erste Portion Stellungskrieg ab; ich hatte wenig Zeit für das, was man Selbstbetrachtung nennt.
    Die nächste seltsame Sache passierte im Lazarett in Ypern. Ich hatte im September bei Caudry wahrend der Offensive von Cambrai einen Heimatschuß erwischt – bei einer Minenexplosion wurde ich halb verschüttet und lag wohl an die vierundzwanzig Stunden bewußtlos draußen. Als ich wieder zu mir kam, irrte ich irgendwo hinter den Linien herum, mit einem bösen Loch in der Schulter. Irgendwer hatte es verbunden, aber ich hatte keinerlei Erinnerung daran. Ich ging dahin, ohne zu wissen, wo ich war, bis ich schließlich auf einem Verbandsplatz landete. Die Sanitäter flickten mich zusammen und schickten mich dann in ein Etappenlazarett. Ich hatte ganz hübsch Fieber, und als nächstes weiß ich erst wieder, daß ich in einem Bett lag und eine Schwester auf mich aufpaßte. Der Mann im Nachbarbett schlief. Ich fing ein Gespräch mit dem im übernächsten Bett an, und der sagte mir, wo ich war. Plötzlich wachte der andere Mann auf und sagte:
    ›Mein Gott‹, sagte er, ›du dreckiges, rothaariges Schwein, bist du's wirklich? Was hast du mit meinen Wertsachen gemacht?‹
    Ich kann Ihnen sagen, ich war sprachlos. Hatte den Mann nie im Leben gesehen. Aber er hackte weiter auf mir herum und machte einen solchen Radau, daß die Schwester anrannte, um zu sehen, was los sei. Alle saßen in den Betten und hörten zu – so etwas haben Sie noch nie gesehen!
    Als ich begriff, was der Kerl meinte, stellte sich, kurz gesagt, folgendes heraus: Er hatte mit einem, von dem er behauptete, ich sei es gewesen, in einem Granatloch gelegen und sich mit ihm erst eine Weile unterhalten; dann als er schwach und hilflos war, hatte der andere ihm Geld, Uhr, Revolver und was weiß ich noch abgenommen und war damit auf und davon gegangen. Ein übler, schmutziger Streich, und ich konnte den Mann begreifen, daß er deshalb einen solchen Spektakel veranstaltete – wenn die Geschichte stimmte. Aber ich sagte und blieb dabei, daß ich das nicht gewesen sei – vielleicht ein anderer gleichen Namens. Aber er behauptete, er erkenne mich, er und dieser Mensch hätten einen ganzen Tag miteinander verbracht, er kenne jeden Zug in seinem Gesicht und könne sich nicht irren. Anscheinend hatte der andere aber erzählt, er gehöre zu den Blankshires, und ich konnte durch meine Papiere beweisen, daß ich zu den Buffs gehörte , und am Ende entschuldigte sich mein Nachbar und sagte, er müsse sich doch getäuscht haben. Ein paar Tage später starb er, und wir waren uns alle einig, daß er wohl ein wenig irre geredet habe. Die beiden Divisionen kämpften Seite an Seite, und es war durchaus möglich, daß sie durcheinandergerieten. Ich versuchte später herauszufinden, ob ich zufällig einen Doppelgänger bei den Blankshires hatte, aber ich wurde in die Heimat verlegt, und bevor ich wieder tauglich war, kam der Waffenstillstand, und ich ging der Sache nicht weiter nach.
    Als der Krieg vorbei war, kehrte ich an meinen alten Arbeitsplatz zurück, und die Dinge schienen sich zu normalisieren. Mit einundzwanzig verlobte ich mich mit einem netten, ordentlichen Mädchen, und ich dachte, alles sei schon und gut. Und dann eines Tages – aus der Traum! Meine Mutter war damals schon tot, ich wohnte in Untermiete. Nun ja, ich bekam einen Brief von meiner Zukünftigen, sie habe mich am Sonntag in Southend gesehen, und das genüge ihr. Alles sei aus zwischen uns.
    Zu allem Unglück hatte ich ihr für dieses Wochenende abgesagt, weil ich mit einer Grippe zu Bett lag. Ich hatte ein unmöbliertes Zimmer, wissen Sie, ohne Bedienung, und keine Menschenseele war zu mir gekommen, obwohl es mir ziemlich dreckig ging. Aber meine Verlobte, die behauptete, sie habe mich in Southend gesehen mit einer anderen, und sie wollte keine Rechtfertigung gelten lassen. Natürlich fragte ich, was sie denn ohne mich in Southend getan hatte, und das gab der Sache den Rest. Sie schickte mir ihren Ring zurück und damit war, wie man so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher