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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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ist eine der wenigen
»inoffiziellen« Beraterinnen des Papstes. Seit 1991 war sie die
Haushälterin in der 300-Quadratmeter-Wohnung,
die Ratzinger als Kardinal an der Piazza della Città Leonina bewohnte.
    Das Tor zum Vatikan öffnet sich
    Im investigativen Journalismus gibt es häufig geheime
Treffen. Dabei begegnet man Menschen, die man nicht kennt und von denen man
wenig oder nichts weiß. Sie suchen den Kontakt, weil sie eine Geschichte
erzählen möchten oder Dokumente bekannt machen wollen. Um möglichst schnell zu
erkennen, wie relevant die Geschichte ist, lässt man sich meist ein Exposé per E-Mail in die Redaktion schicken. Es kommt
jedoch vor, dass die Kontaktperson misstrauisch ist. In solchen Fällen kann nur
ein Gespräch erhellen, ob es sich um etwas Interessantes handelt. Das Treffen
mit dem Unbekannten findet dann entweder in der Redaktion oder etwa in einer
überfüllten Bar statt, sodass beide Seiten geschützt sind.
    In meiner beruflichen Tätigkeit habe ich schon die unglaublichsten
Situationen erlebt. Sie scheinen eher einem Roman zu entstammen als dem täglichen
Leben. Einmal bin ich in Florenz einen halben Tag lang von verschiedenen
Personen verfolgt worden. Ein General der Finanzpolizei, den ich am Nachmittag
treffen sollte, hatte sie auf mich angesetzt. Eine kafkaeske Situation: Er ließ
mich verfolgen, um sicherzustellen, dass ich nicht verfolgt wurde. Es ist auch
vorgekommen, dass ich unbekannte Informanten an absurden Orten getroffen habe,
etwa auf einem Schrottplatz vor den Toren von Brescia, inmitten von Autowracks.
Ein anderes Mal wurden mir zunächst die Augen verbunden, bevor man mich in eine
Wohnung in Triest brachte, wo ich einen Kronzeugen der Justiz treffen sollte.
    Nie zuvor jedoch habe ich etwas Ähnliches erlebt wie in diesem Jahr,
als der Kontakt mit dem Hauptinformanten zustande gekommen ist, der mir die
unzähligen Dokumente für das vorliegende Buch zugespielt hat. Erstmals war ich
mit einem derart übergroßen Verlangen nach Vertraulichkeit, mit solch hohen
Erwartungen und zum Teil völlig übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen konfrontiert.
Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich Zugang zu einer Geschichte gefunden
hatte, die größer war als ich selbst. »Vorsicht ist eine Stilfrage«, erklärte
mein Informant einmal. »In der Kurie entscheidet man sich immer für den Weg,
der am geräuschlosesten ist.« Er hatte recht. So war unser Verhältnis von
Anfang an darauf ausgerichtet, unsichtbar zu bleiben und sich in den
Zufälligkeiten zu verbergen, wie sie das alltägliche Leben mit sich bringt.
    Erst heute begreife ich, dass jeder einzelne Schritt wohlüberlegt
und genau kalkuliert gewesen ist. Wie leicht hätte man sich in einem Netz
verfangen können, das ein Fachmann wie der Nazijäger Simon Wiesenthal als
»besten und effizientesten Geheimdienstapparat der Welt« bezeichnet hat: das
Informations- und Sicherheitssystem des Vatikans. Erst heute wird mir klar,
dass die Nachrichtenquelle, ein feiner Riss in der scheinbar unüberwindlichen
Leoninischen Mauer, um jeden Preis unsichtbar bleiben musste. Mein Informant
durfte durch sein Verhalten auf keinen Fall irgendeinen Verdacht erregen, sei
es im Alltag oder im Gespräch. Er durfte sich nichts anmerken lassen. So musste
er sich im Umgang mit seinen Vorgesetzten, Männern mit Macht, Intuition und
Charisma wie etwa Staatssekretär Bertone, immerzu verstellen, während er die
wichtigsten Informationen und die geheimsten Dokumente zusammentrug, um sie
dann – am Kontrollposten der Schweizergarde vorbei – aus dem Kleinstaat
hinauszuschmuggeln. Dieses Doppelleben dauerte Monate. Wahrscheinlich ist es
nur mit der Existenz eines klassischen Geheimagenten vergleichbar, der nach
jahrelanger Ausbildung in ein Land eingeschleust wird und dort verdeckt lebt.
    Auch meine eigene Rolle war nicht leicht. In Situationen wie diesen
sind psychologische Aspekte von entscheidender Bedeutung. Man darf keinen
falschen Schritt tun, wenn man ein Vertrauensverhältnis aufbauen möchte. Man
muss sich als ein Gesprächspartner einführen und erweisen, der Vertrauen
verdient und Unsicherheiten auffängt. Zudem sollte man immer auf
unvorhergesehene Zwischenfälle gefasst sein. Vor allem aber darf man niemals
Angst haben.
    Und so kam die erste Begegnung zustande, der erste Kontakt: Es war
mein Buch Vatikan AG , in dem ich mich mit den
finanziellen Machenschaften der Kirche auseinandersetzte, nach dessen Lektüre
sich mein Informant sicher war, dass
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