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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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Die Verliese des Vatikans
    Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe
    Ettore Gotti Tedeschi, der Präsident der Vatikanbank IOR mit Nähe zum Opus Dei, stieg aus dem
Flugzeug, das uns nach Rom gebracht hatte. Einen Augenblick hielt er auf der
Treppe inne und drehte sich zu mir um. Von unten herauf, mit leicht schräg
gelegtem Kopf und spöttisch lächelnden Lippen, blickte er mich herausfordernd
an. Seine Worte waren kaum zu verstehen: »Sehen Sie«, zischte er so leise, dass
die anderen ihn nicht hörten, »so sehr glauben wir im Vatikan an Transparenz:
Als wir Geldwäsche zum Straftatbestand machten, haben wir gleich ausgediente
Gefängniszellen unter der Gendarmerie ausgebaut. Wenn jetzt jemand verhaftet
wird, können wir ihn dort unterbringen.« Gotti Tedeschi blickte mich zufrieden
in der Überzeugung an, seine Behauptung mit einem unwiderlegbaren Argument
belegt zu haben. Er merkte gar nicht, dass er nur sehr viel Naivität bewies: Im
Vatikan gibt es kein Gefängnis. Nach Festnahmen der Verhaftungen nimmt die
Gendarmerie die Personalien auf, führt erste Ermittlungen durch und überstellt
Verdächtige getreu internationalen Abkommen den italienischen
Strafverfolgungsbehörden. Der Ausbau ehemaliger Zellen folgt also einer
präzisen Logik: Offenbar will der Vatikan die Voraussetzung schaffen, um
Personen, die wegen schwerer Finanzdelikte wie Geldwäsche festgenommen werden,
selbst in Gewahrsam zu halten. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt:
Vielleicht soll ja verhindert werden, dass sich mutmaßliche Geldwäscher den
tausend Fragen der italienischen Richter stellen müssen, die immer zu viel
wissen wollen.
    Aber wir täuschten uns beide. Als einige Wochen später tatsächlich
jemand in einer Zelle landete, war es nicht etwa ein Geldwäscher, sondern eine
Person aus der kleinen päpstlichen Familie: der 46-jährige Paolo Gabriele,
Kammerdiener des Papstes, ein bis dahin unbescholtener Christ und Katholik.
Gabriele war seit 2006
immer in der Nähe des Papstes gewesen und hatte sich um seine kleinsten
Bedürfnisse, Belange und Wünsche gekümmert. Er unterstützte ihn von morgens bis
abends im Alltag, servierte an seinem Tisch, begleitete ihn auf Reisen in alle
Welt und hielt sich im Papamobil neben ihm ständig zu seiner Verfügung. Seine
Verhaftung verdankte er dem Vorwurf, er habe mir jene unveröffentlichten
brisanten Dokumente zugespielt, die ich im vorliegenden Buch verarbeitet habe.
Dazu kann ich mich hier nicht äußern: Der Pressekodex verpflichtet mich, meine
Informanten unter allen Umständen zu schützen. Ich kann also nicht einmal
dementieren, dass mein Material von Gabriele stammt. Sonst würde ich die
Identifikation vieler Personen erleichtern, die mir bei der Offenlegung von
Vorgängen halfen, die sich hinter den Mauern des Vatikans abspielten. Bei
meinen Recherchen hatte ich nicht vorhergesehen, dass der Vatikan so weit gehen
würde, jemanden festzunehmen, nur weil er angeblich Journalisten mit
Informationen versorgt hatte. Die Vatikanstadt ist nicht irgendein Staat. Im
Vatikan wird nicht verhaftet: In seiner kleinen Gemeinschaft, die auf 44 Quadratkilometern
lebt, werden keine Straftaten begangen. Ob dem tatsächlich so ist, interessiert
nicht: Wichtig ist vielmehr, dass Gefängniszellen dort nicht benötigt werden.
Sollte doch jemals eine Straftat vorkommen, steht die italienische Justiz
bereit, sich der Verdächtigen anzunehmen. Das galt zumindest bis vor Kurzem, da
es ja nicht einmal Zellen zur Unterbringung Festgenommener gab.
    Einzige Ausnahmen sind Personen, die Diebstähle in Museen begehen,
sowie Exzentriker oder Unruhestifter, die die Aufmerksamkeit der Medien suchen
und den immer im Fokus stehenden Petersplatz als Bühne für irgendwelche
Proteste nutzen wollen. In solchen Fällen springt sofort der Sicherheitsapparat
an, um den Papst gegen unliebsame Begegnungen abzuschirmen. Domenico Giani, der
Leiter des Gendarmeriekorps, verfasst dann einen Bericht für den Privatsekretär
des Papstes: so zum Beispiel auch am 25. Oktober 2011.
Am Vortag hatte Benedikt XVI. auf dem
Petersplatz die Eucharistie zu einer Heiligsprechung gefeiert. Derweil erklomm
ein Unbekannter über ein Gerüst nahe der Loggia delle Dame den rechten
Säulengang und drohte mit Selbstmord. Ein Ausnahmefall. Gianis Gendarmerie nahm
den Mann fest und erstattete sofort der Vatikanzentrale Bericht:
     
    Der Mann, ein
gewisser Iulian Jugărean, rumänischer Staatsbürger, ungefähr 43 Jahre, war
bereits wegen ähnlicher
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