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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd
Autoren: U Renk
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holte einen langen Stab aus dem Schuppen und stieß ihn wieder und wieder in den Brunnenschacht. Schließlich brach die Eisschicht splitternd. Das Mädchen zog einen vollen Eimer nach oben und füllte ihn in den Bottich.
    »Was können wir jetzt noch tun?«, fragte sich Catharina, die am liebsten losgelaufen wäre, um nachzuschauen, wie es ihrer Familie ging.
    »Warten, Mademoiselle. Wir können ein gutes Essen bereiten, denn wenn die Männer nach Hause kommen, werden sie müde und hungrig sein.«
    »Das ist richtig. Haben wir noch Speck und Eier? Sie sollten eine gehaltvolle Mahlzeit bekommen.«
    Erst in den frühen Morgenstunden kehrten die Männer zurück. Catharina sah ihnen angstvoll entgegen. In den tiefen Stunden der dunklen Nacht hatte sie sich schreckliche Schicksale für ihre Mutter und die Schwestern ausgemalt.
    »Es geht ihnen gut«, sagte Abraham leise und nahm Catharina in den Arm, um sie an sich zu drücken. Er roch nach Rauch und Schweiß. »Eurer Familie ist nichts passiert, wohl aber anderen.«
    »Schrecklich war es.« Hans setzte sich auf die Küchenbank und nahm dankend den großen Humpen Bier, den Elise ihm reichte. »Viele Häuser sind abgebrannt, einige Familien sind zu Tode gekommen.«
    »Ja.« Abraham nickte. »Andere haben überlebt, sind aber nun ohne Heim und Bleibe.«
    »Was wird aus ihnen?«, fragte Catharina entsetzt.
    »Für heute Nacht finden sie Unterschlupf in den Kirchen. Morgen muss man weitersehen. Ich hoffe, es wird genügend Spenden geben. Aber durch die lange Besatzung sind die Bürger am Ende ihrer Kräfte.« Er dachte nach. »Annas ...«, seine Stimme brach. »Ihre Sachen«, sagte er dann fast tonlos. »Ich brauche sie nicht mehr.« Er schaute Catharina an. »Mögt Ihr etwas davon haben?«
    Fassungslos schüttelte Catharina den Kopf. »Nein!«
    »Dann können wir die Truhe mit ihren Sachen doch spenden. Ihr wäre es sicher recht, und sie würde sich darüber freuen.« Er verschränkte die Arme auf den Tisch undlegte seinen Kopf darauf. Catharina hörte, wie er leise schluchzte.
    Sie zögerte kurz, setzte sich dann neben ihn und legte den Arm um seine Schulter.
    Am nächsten Morgen trug Abraham tatsächlich Annas Truhe nach unten.
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Catharina leise.
    »Ihr wollt etwas von ihren Sachen? Fühlt Euch frei.« Er trat einen Schritt zurück.
    Catharina schüttelte den Kopf. »Wo denkt Ihr hin? Aber ... ihre Kinder möchten vielleicht ein Andenken an die Mutter.«
    Abraham sah sie mit großen Augen an. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Doch was ... ich kann das nicht«, flüsterte er. »Ich kann diese Truhe nicht öffnen, nicht ihre Sachen durchgehen. Würdet Ihr das für mich machen?«
    Catharina nickte still. Auch ihr fiel es schwer, die persönlichen Dinge ihrer Freundin durchzusehen. Außer den Kleidern fand sie einen Perlenring und eine Kette, einige Briefe, die in Tuch gehüllt waren, und eine Bibel. Dies legte sie zur Seite, dann schloss sie die Truhe wieder.
    Am Sonntag wurde für die Verstorbenen und Versehrten in der Kirche gebetet, auch wurde um Spenden gebeten.
    Es war das erste Mal, dass Frieder von der Leyen mit seiner Frau zum Gottesdienst kam. Da die Familie wie gewöhnlich in der ersten Reihe saß, konnte Catharina sie beobachten. Immer noch gab ihr sein Anblick einen Stich, doch sie war sich nicht sicher, ob es nicht nur verletzte Eitelkeit war, die da schmerzte. Nach dem Gottesdienst zog Esther sie zur Seite.
    »Was wirst du nun tun?«, fragte sie ihre Tochter.
    »Mutter?«
    »Nun, immer noch zahlt mir Monsieur von der Leyen deinen Lohn. Doch du lebst bei Monsieur ter Meer. Willst du wirklich von einem Bett zum anderen wandern wie eine Hure?«
    »Mutter!«, stieß Catharina entsetzt aus. »Ich bin keine Hure. Was denkst du von mir?«
    »Nichts anderes als alle anderen der Gemeinde. Du lebst seit Wochen bei einem Witwer.«
    »Ich führe ihm den Haushalt.«
    »Zahlt er dir dafür?«
    Catharina schnappte nach Luft. »Nein.«
    Esther hob die Hände. »Nun denn. Es wirkt seltsam. Denk darüber nach. Du kannst jederzeit zu uns zurückkommen, solltest du immer noch ehrbar sein.«
    »Ich danke dir«, sagte Catharina leise nach einem Moment des Überlegens. »Ich werde wohl auf dein Angebot zurückkommen. Mutter.«
    Am Abend saßen sie bei einem Glas Wein zusammen. Abraham war immer noch sehr melancholisch, und Catharina wusste nicht so recht, wie sie das Thema zur Sprache bringen sollte.
    »Ich habe Euch im Gespräch mit Eurer
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