Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd
Autoren: U Renk
Vom Netzwerk:
Techtelmechtel mit einem französischen Soldaten gehabt hatte, das nicht ohne Folgen geblieben war.Um Geld zu sparen, hatte die Mutter keine neue Magd eingestellt, und nun mussten die Mädchen die Aufgaben im Haushalt erfüllen.
    Mette war zehn Jahre alt und die jüngste der vier Schwestern, sie und auch die vierzehnjährige Elisabeth besuchten noch die Schule. Trotzdem hielt die Mutter sie bereits an, kleinere Flick- und Näharbeiten zu übernehmen. Als Weißnäherin konnte Esther ein wenig Geld verdienen, aber wohlhabend waren sie nicht mehr. In manchen Monaten lag die monetäre Last schwer auf Esthers Schultern. Erst seit Catharina einen Teil der Haushaltsführung mit übernommen hatte, verstand sie, was das bedeutete. Mit ihren knapp zwanzig Jahren musste sie mehr machen und tragen als andere Mädchen ihres Standes.
    Mein Stand, dachte Catharina und schnaubte auf. Unserer Familie ging es früher gut, aber die Zeiten sind vorbei, und mit vier Mädels hat Mutter wenig Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit besser gestellt sein werden. Wir könnten reich heiraten, doch das ist unwahrscheinlich. Außerdem, sie kaute an ihrer Lippe, während sie ihren Gedanken nachhing und dem schnellen Schritt der Mutter zu folgen versuchte, sind wir alle noch viel zu jung, um zu heiraten.
    Die Mägde und Arbeiterinnen heirateten früh, die Töchter der Mittelschicht meist erst hoch in den Zwanzigern. Es gab noch eine Oberschicht, zu der die Familie Floh und natürlich die von der Leyen gehörten. Doch diese Familien hatten mannigfaltige Kontakte in andere Städte zu Familien ihres Standes.
    »Trödel nicht so«, herrschte Esther ihre Tochter an. Catharina fuhr erschrocken aus ihren Gedanken und versuchte mit der Mutter Schritt zu halten.
    Sie mussten quer durch die Stadt, vorbei an der neuen Kirche, am Schwanenmarkt mit dem öffentlichen Brunnen, an der protestantischen Kirche und dann am Viehmarkt vorbei zur Niederstraße. Am Ende dieser Straße lagen das Niedertor und das Haus von Frederik von der Leyen.
    »Maman, warte!« Catharina rutschte auf dem glatten Kopfsteinpflaster aus, beinahe hätte sie den Korb fallen gelassen.
    »Dass du bloß nicht die Ware beschmutzt«, schalt ihre Mutter, blieb aber dann doch stehen, um zu warten. »Nun komm, Kind, wir haben nicht ewig Zeit.«
    Inzwischen war es dunkel geworden, der Wind heulte durch die Gassen, fing sich unter den Dachtraufen. Immer wieder begegneten ihnen französische Soldaten. Im Winterlager konnten sie außer ihrem täglichen Exerzieren wenig tun. Unruhe lag über der Stadt, die zum Bersten gefüllt war mit Menschen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Von einfachen Marketendern bis hin zu Offizieren aus adeligen Familien drängte sich alles in der kleinen Stadt. Die einfachen Soldaten erhielten an den kalten Tagen eine Ration Branntwein, da viele Unterkünfte nur schlecht zu beheizen waren.
    Die Stimmung war so schlecht wie das Essen. Wie eine Glocke hing der Geruch von Kohl über der Stadt, vermischt mit dem Qualm der Kamine. Die Kohle war teuer und schlecht. Manche Familie heizte inzwischen mit Torf oder feuchtem Holz aus dem Bruch.
    »Die Franzosen fiebern den Feierlichkeiten entgegen«, sagte Esther und wich zwei Betrunkenen aus, die vor einem Ausschank standen. Sie griff nach Catharinas Hand und zog ihre Tochter mit sich. »Hoffentlich steigt dann auch die Stimmung in der Stadt.«
    »Letztes Jahr waren die Feiern doch recht fröhlich«, erinnerte Catharina sich.
    »Ja, aber je länger dieser unselige Krieg andauert, umso schlechter wird die allgemeine Stimmung. Viele Bürger murren über die Besatzung. Ich bin froh, dass wir niemanden in Quartier nehmen müssen.«
    Sie kamen zur Klostergasse. Ein kleines Stück weiter war das Haus der von der Leyen. Es war ein großes und prachtvolles Gebäude, mit einer prunkvollen Eingangstür. Esther zögerte einen Moment, dann ging sie am Haus vorbei und durch die Hofeinfahrt.
    »Wo willst du hin, Maman?« Catharina war einen Moment stehen geblieben. Natürlich war sie schon des Öfteren an dem Haus vorbeigekommen, betreten indes hatte sie es noch nie. Aus den Fenstern strahlte warmer Glanz, das Licht vieler Kerzen und Lampen erhellte die hohen Räume, und durch die Fenster schien das Licht Pfützen auf die Straße zu gießen.
    Alle acht Fenster sind beleuchtet, dachte Catharina verwundert. Ob in jedem Raum Leute sind? Das Haus hatte zwei volle Stockwerke, die Gauben im Dach zeigten, dass auch dort Zimmer waren. Doch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher