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Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Titel: Sei schlau, stell dich dumm: Biographie
Autoren: Bastei Lübbe
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kleine Marienkäfer dran. Schon komisch, da hast du noch keine Haare auf dem Kopf, keine Zähne im Mund, aber Glitzer-Glitzer an den Ohren.
    Mit zwölf wollte ich dann unbedingt mehr davon. Ich fand die Jeanette Biedermann so toll, hatte keine Folge von GZSZ verpasst, seit ich acht war. Und Jeanette hatte in jedem Ohr gefühlte fünfzehn Ringe hängen. Also – her mit der Stopfnadel, über die Kerze drüber und bohr, stech – autsch – dreh, rein damit. War jetzt nicht gerade die angenehmste Erfahrung in meinem Leben (was reich an unangenehmen Erfahrungen ist), aber klein beigeben kam nicht in Frage. Als das Blut auf dem ersten Ohr angetrocknet war, nahm ich mir das zweite vor. Voilà, Auftrag erfüllt und zwanzig Mark gespart.
    Auf die eigentlich geplanten weiteren zehn Ohrlöcher habe ich dann aber doch lieber verzichtet und mich entschlossen, beim Bauchnabel lieber auf professionelle Hilfe zurückzugreifen.
    Komisch, der Typ im Piercing-Studio hat mich gar nicht nach meinem Alter gefragt. Ich musste also noch nicht einmal die Unterschrift meiner Mutter fälschen – dabei war das zu der Zeit eine meiner einfachsten Übungen.
    Natürlich wusste Mama von meinen Bauchnabelplänen nichts, sie wäre ausgerastet, jede Wette. Wie jede Mutter einer pubertierenden Tochter fand sie damals so ziemlich alles scheiße, was ich wollte, was ich machte, ob andere Frisur, Smokey Eyes, Endlosnägel. Aber ich glaube, sie war im Prinzip gegen alles, da sie nicht damit klarkam, dass ich erwachsen wurde.
    Mama wollte immer ihr kleines Mädchen behalten, und auf einmal war da eine junge Frau bei ihr im Haus. Tja, so ist das Leben. Mittlerweile hat sie das auch akzeptiert. Wäre ja auch komisch, wenn nicht. Das Piercing habe ich dann monatelang unterm T-Shirt versteckt, so gut das mit knappen Bauchfrei-Tops eben geht. Zu Hause T-Shirt runter, draußen – Vorhang auf – T-Shirt rauf!
    Intim-Piercing auf Sex-Messe
    So ändern sich die Zeiten: Bei meinem Intim-Piercing musste ich nichts mehr vor ihr verstecken, ganz im Gegenteil. Ich war inzwischen zweiundzwanzig, meine Mutter einundvierzig. Wir waren auf einer Sex-Messe in Frankfurt. Ja, ja, jetzt läuft das Kopfkino an, oder? Die Katze auf der Sex-Messe. Hallo, nix da. Da geh ich immer gern hin. Zum Gucken! Weil die so schöne Unterwäsche und auch ganz tolle Schuhe haben. Der Rest da interessiert mich überhaupt nicht.
    Aber da man auf so einer Veranstaltung nun mal an den ganzen Ständen vorbeimuss, und ich ja keine Scheuklappen wie ein Kutschpferd trage, entgehen mir die Damen auf den Bühnen nicht. Erst haben sie nur ein bisschen was an, dann noch weniger und irgendwann sind sie total nackig (bis auf die Schuhe – ich glaube, eine gute Stripperin legt eher ihren Verlobungsring ab als ihre High Heels). Aufgefallen ist es mir bei der einen, die schon blankgezogen hatte. Zwischen deren Beinen blinkte es immer so hübsch hervor. Das gefiel mir. Ich guckte mir das genauer an, überlegte nicht lange, bin ab zum nächstbesten Piercer – und rauf auf die Liege.
    Die Tante, die mir die Nadel verabreicht hat, sah mit ihrem superblonden Bürstenhaarschnitt aus wie die Sängerin von Roxette. Ich entschied mich für einen ganz schlichten silbernen Ring, er sollte um die dreißig Euro kosten. Zugegeben, es gibt sicher stimmungsvollere Plätze, um seine Beine breit zu machen, aber wenn ich was will, dann auf der Stelle. Außerdem fühlst du dich auf so einer Messe ein bisschen wie in Trance. Da laufen viele komische Typen rum, ist also eigentlich genau meine Welt. Ich fühle mich unter Bekloppten einfach am wohlsten.
    Also hab ich mich hinter so einer Sperrholzwand untenrum frei gemacht und in Position begeben. Da der ganze Verschlag nach oben hin offen war und ich wusste, dass draußen Hunderte von Leuten in Reichweiter meiner Pussy vorbeimarschieren, war ich wohl besonders tapfer. Über meine Lippen durfte kein Laut kommen, hätte ja jeder gehört. Ich könnte jetzt behaupten, es hat ein bisschen gezwickt. Doch die Wahrheit ist: Es tat höllisch weh! Eins kann ich schwören: Niemals, ich betone – NIEMALS – kommt da noch ein zweites Loch rein. Es war definitiv nicht meine beste Idee.
    Aber Mama hat mir tapfer beigestanden. Irgendwie verrückt, oder? Obwohl, eigentlich typisch meine Mama. Hauptsache ganz anders als andere »normale« Mütter. Jetzt habe ich da unten so ein Ding drin. Bis heute habe ich mich nicht getraut, es rauszunehmen. Den Ring im Bauchnabel tausche ich ja alle
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