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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition)
Autoren: Jeanne Woodtli
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es auch nur zuhause. Das Logo hat dem Lauf der Jahre erstaunlich gut getrotzt, noch immer lässt sich der Schriftzug lesen. Die Band ihres Exfreundes. Einen Augenblick lang schleicht sich Simon in ihre Gedanken. Sie war 21 gewesen. Knapp sechs Jahre ist das her, aber es fühlt sich an wie ein anderes Leben. Oder eine andere Alys.
    Sie geht ins Badezimmer. Aus dem Spiegel blickt ein müdes Gesicht zurück. Nach einer durchzechten Nacht, hat sie manchmal das Gefühl, alt auszusehen, obwohl da noch keine einzige Falte zu erkennen ist. Mascha lachte sie aus als sie ihr davon erzählt hatte. Du bist paranoid , hatte sie gesagt. Mascha hat gut reden, sie ist einer dieser glücklichen Frauen, die immer strahlend aussehen. Egal wie viel sie arbeitet, wie wenig sie schläft oder wenn Dinge in ihrem Leben schief laufen. Wahrscheinlich sind es die Gene, Maschas sonnige Aura oder einfach eine besonders gute Grundierung. Alys beschliesst herauszufinden, woran es genau liegen mag.
    Sie greift nach dem Abschmink-Tonic und einem Wattebausch. Mit dem Abschminken ist sie nicht so konsequent, wie all die Frauenheftchen und ihre eigene Mutter es ihr beizubringen versuchten. Aber manchmal bleibt auch keine Zeit zum Abschminken. Was soll Frau denn tun, wenn sie so vielversprechend im Flur geküsst wird wie vorhin geschehen mit Janosch? Ihm die Hände auf die Brust legen, ihn sanft von sich stossen, „Warte kurz, ich muss mich eben erst mal abschminken gehen“ sagen ... Die Vorstellung lockt ein Lächeln auf das Gesicht der Frau im Spiegel. Sieht gleich viel besser aus.
    Sie prüft zum dritten Mal, ob sie die Pille vor dem Konzert wirklich genommen hat. Wahrscheinlich würde Mascha dazu wieder sagen, sie sei paranoid. Ist sie vielleicht wirklich, schliesslich verhütet sie doppelt. Aber da Janosch und sie sich bis heute nicht definiert hatten, und sie nicht weiss, was vor ihr alles war ... Sie weiss nicht einmal, ob sie wirklich die einzige ist. Sie hofft es. Denkt aber lieber nicht zu sehr darüber nach. Er arbeitet sehr viel, daher kann sie sich kaum vorstellen, dass es in seinem Leben noch Platz für andere Frauen gibt. Aber eben. Lieber nicht darüber nachdenken.
    Im Flur bückt sie sich nach ihrer Handtasche, geht ins Wohnzimmer und lässt sich auf die rote Ledercouch fallen, die schon bessere Tage gesehen hat. Sie wickelt sich eine Decke um die Schultern und hebt ihr MacBookPro vom Couchtisch auf ihren Schoss. Sie nimmt die CD aus der Handtasche, betrachtet einen Augenblick das Cover. Das Artwork ist schlicht: Schwarz-Weiss-Foto. Eliot Wagner läuft eine Strasse herab, die Gitarre auf dem Rücken, wie Mister Johnny Cash. Er blickt über die Schulter zurück, aber nicht in die Linse des Fotografen, sondern irgendwo in die Ferne. Die Schrift ist ziemlich retro und rot. Eliot Wagner and the Bad Bats. You don’t own me. Ich gehöre Euch nicht. Oder dir? Ich gehöre dir nicht.
    Sie dreht die CD um und betrachtet einen Moment das Autogramm auf der Rückseite. Für Alys von Eliot. Die Schrift ist schwungvoll und etwas eigenwillig, alles Grossbuchstaben. Sie importiert die CD und lässt wieder das Lied laufen, bei dem er sie angelächelt und auf sie gezeigt hat. Es heisst ,Afraid’. Sie öffnet ihren Browser und sucht nach ‚Eliot Wagner’.
    Die nächsten zwei Stunden liest sie alles, was sie im Netz über Eliot Wagner finden kann. Interviews, Zeitungsartikel, Kommentare von Fans, CD-Reviews. Sie klickt ‚Gefällt mir’ auf seiner offiziellen Facebook-Seite und schaut sich die Videos in seinem Youtube-Kanal an.
    Eliot Wagner ist leidenschaftlich, was seine Songs betrifft und hat ein riesiges Musikwissen. Alys hatte sich immer eingebildet, einigermassen versiert in Sachen Musik zu sein, aber viele Bands, von denen er in Interviews erzählt oder sogar schwärmt, sind ihr unbekannt. Sie geht erneut auf Youtube und hört sich ein paar Beispiele an. Was sie hört, gefällt ihr.
    Über seine und die Musik von anderen spricht Eliot Wagner gerne. Musik machte er schon immer, davon leben kann er erst seit kurzem. Eigentlich ist er Bibliothekar, hat bis vor ein paar Monaten auch auf seinem Hauptberuf gearbeitet. Alys versucht, sich den Mann mit der Lederjacke und dem Rockabilly-Haar in einer Bibliothek vorzustellen, umgeben von Büchern und 50-jährigen Arbeitskolleginnen mit hennaroten Haaren und einer Lesebrille auf der Nase. Es will ihr nicht recht gelingen.
    So gerne Wagner über seine Musik spricht, so sehr schweigt er sich über sein
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