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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition)
Autoren: Jeanne Woodtli
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Bars ihre Türen und die Nutten, Spieler und Junkies wurden weniger. Das Milieu hat sich verlagert, weiter westlich, ins Industriequartier. Alys ist bisher erst einmal im ‚Mon Amour’ gewesen. Es ist ein schöner Club. Die lüsterne, etwas schlüpfrige Atmosphäre früherer Zeiten scheint an den Wänden und Decken haften geblieben zu sein. Früher war das ‚Mon Amour’ ein Stripclub, und, so munkelt man, auch ein Puff. Das Licht ist immer noch rot, aber jetzt tummeln sich zwischen den Stripstangen und den roten Samtvorhängen Twentysomethings. Böse Zungen behaupten auch, das ‚Mon Amour’ sei das Revier aller Hipster.
    „Wie bist du eigentlich an Tickets gekommen? Zurzeit ist doch jedes Konzert sofort ausverkauft.“ Mascha wirft ihr einen Tu-nicht-so-überrascht- Blick zu. Ihre Absätze klappern die Treppe hinab. Der Hausmeister hat die Glühbirne im zweiten Stock immer noch nicht ersetzt, das Treppenhaus ist unverändert düster. „Ich hab sie von Frederic”, sagt sie dann in beiläufigem Ton.
    Frederic. Alles klar . Alys wirft Mascha einen strafenden Blick zu, doch diese tut, als würde sie es nicht bemerken. „Warst du wieder mit ihm Kaffee trinken?“
    „Ja“, sagt Mascha. „Was ist schon dabei? Wir sind Freunde.“
    „Freunde?“, wiederholt Alys. Frederic ist Informatiker, wahnsinnig schüchtern und arbeitet bei einem der grössten Online-Ticketverkäufer des Landes, der ‚Dankeschön GmbH’. Und weil er eine kleine – oder grosse beziehungsweise sehr grosse – Schwäche für Mascha hat, kommen sie immer wieder in den Genuss von Gratis-Tickets und Gästelisten. „Hast du vor, das mit euch irgendwann auf eine andere Ebene zu hieven?“, fragt Alys, obwohl sie die Antwort schon kennt. Mascha deutet ein Schaudern an: „So gut solltest du mich kennen, oder?“
    „Wann also sagst du ihm, dass er sich keine Hoffnungen machen soll? Oder besser noch, dass ihr euch nicht mehr treffen solltet.“
    „Ich mache ihm keine Hoffnungen“, erwidert Mascha empört. Aber Alys sieht den schuldbewussten Ausdruck, der im hübschen Gesicht ihrer Freundin aufflackert und gleich wieder weg ist. „Natürlich tust du das. Du sonnst dich in seiner Bewunderung und sagst ihm nicht, dass er nicht in deiner Liga spielt. Ausserdem ist er ein netter Mann, ganz anders als die Typen, mit denen du dich sonst abgibst. Vielleicht solltest du dir das mit ihm doch mal überlegen ...“
    Mascha reisst die Augen auf. „Er ist ein Nerd, Alys. N.E.R.D.“ Sie betont jeden Buchstaben. Alys grinst. „Nicht alle Nerds sind so übel“, entgegnet sie. Mascha nickt. „Stimmt, du magst ja Nerds. Das liegt daran, dass du selbst einer bist. Wenn auch die weibliche Ausgabe, hübsch verpackt und gut getarnt im kleinen Schwarzen. Vielleicht solltest du mal deine Beziehung zu deinem MacBook beenden und dich draussen umsehen.“ Alys grinst wieder, erwidert aber nichts darauf. „Was ist eigentlich mit Janosch?“, fügt Mascha hinzu. Alys zuckt mit den Schultern. „Alles beim Alten“, sagt sie knapp. Sie hat wenig Lust, mit Mascha über Janosch zu diskutieren. „Alles beim Alten? Das heisst, ihr trefft euch weiterhin, diskutiert über die neuesten Typographie-Programme, trinkt Bier und geht miteinander ins Bett, ja?“
    „Meistens trinken wir Gin Tonic“, korrigiert Alys sie.
    „Alles klar“, entgegnet Mascha: „Besonders viel Entwicklungspotential scheint diese Beziehung ja nicht aufzuweisen. Wie lange dauert das jetzt schon? Vier Monate? Ein halbes Jahr?“
    „Es ist keine Beziehung, daher muss es sich auch nicht weiterentwickeln“.
    Mascha legt den Kopf ein wenig schräg und ihr Blick erforscht Alys’ Gesicht. Schau mich nicht so an als könntest du in mich hineinsehen. Aber das kannst du, das ist es ja. „Ich hatte eine Zeitlang den Eindruck, du hättest dir gewünscht, dass es sich weiterentwickelt. Dass es zu dem Wort mit ‚B’ wird“. Maschas Stimme klingt vorsichtig. Ein leiser Schmerz erfasst Alys. „Ich bin zufrieden damit, was wir haben“. Beide können die Lüge in ihrer Stimme hören.
    Mascha scheint der Meinung zu sein, dass es an der Zeit ist, einen leichteren Ton anzuschlagen. „Janosch ist übrigens auch ein Nerd“, sagt sie. Alys grinst etwas gequält zurück. „Oh ja, aber er ist einer der sexy Sorte ...“
    Die Türe fällt hinter ihnen ins Schloss. Eine Mischung aus Schnee und Regen fällt auf den Asphalt. Er glänzt im kalten Licht der Strassenlampen. „Brr“, entweicht aus Maschas Mund. Sie
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