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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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seines Lebens verteidigt. »Weißt du, was mir soeben gekommen ist, Jim?«
    »Nein, Ma’am, was denn?«
    »Daß ich nie Geschwister hatte.« Seine verdatterte Miene war zu köstlich. Lachend bückte sich Caroline nach dem Geigenkasten. »Geh doch auch zu deinen Leuten. Ich muß noch schnell ein Telefongespräch führen. Wenn du Tucker siehst, sag ihm bitte, daß ich gleich wieder da bin.«
    Caroline verstaute die Geige im Koffer und ging über den grünen Rasen zum Haus mit seinen herrlichen weißen Säulen.
    Ihre Mutter würde Augen machen, wenn sie ihr so unvermutet alles Gute zum Unabhängigkeitstag wünschte.
    Ich habe mich von dir befreit, Mutter. Versuch doch auch, dich von mir zu lösen. Vielleicht finden wir ja zueinander, wenn diese dünnen, straffen Saiten nicht mehr zwischen uns stehen.
    Caroline drehte sich noch einmal um. In der Dämmerung war Sweetwater immer besonders schön. Aus der Ferne grüßten die Lichter des Jahrmarkts. Sie verhießen ihr Hoffnung. Das fröhliche Kreischen der letzten Karussellfahrer drang an ihr Ohr.
    Bald würden Raketen und Leuchtkugeln durch die Dunkelheit zischen und Böllerschläge losdröhnen. Sie ging weiter. Auf keinen Fall wollte sie dieses Spektakel verpassen.
    Caroline war in Gedanken so mit dem Telefonat beschäftigt, daß sie den Stimmen vor dem Haus keine Aufmerksamkeit schenkte. Erst als ihr der erregte Tonfall auffiel, blieb sie jäh stehen. Sie erkannte Josie und Dwayne. Die Geschwister standen auf der Auffahrt unmittelbar vor der Veranda und schrien aufeinander ein. Wenn zwei sich streiten, zog man sich am besten diskret zurück. Caroline überlegte, daß sie auch hinten über die Terrasse ins Haus gelangen konnte. Sie wollte gerade umkehren, da sah sie etwas in Dwaynes Hand aufblitzen.
    Caroline erstarrte. Es war ein Messer.
    Sie wagte sich nicht mehr zu rühren. Während am Rande der Baumwollfelder die Leute gespannt auf den Beginn des Feuerwerks warteten und hier die Grillen ihr lautes Konzert anstimmten, ahnten Bruder und Schwester nicht, daß jemand sie beobachtete.
    »Das kannst du nicht machen!« rief Josie wütend. »Dazu hast du einfach kein Recht!«
    »Mensch, Josie! An dem Messer klebt Blut!« Benommen, als hätte das matte Glänzen ihn hypnotisiert, starrte Dwayne die Klinge an.
    »Gib’s mir. Ich kümmere mich schon um alles Weitere.«
    »Sieh doch ein, daß ich das nicht kann, Josie. Wie weit soll es denn noch gehen? Mein Gott, ich hab’ sie doch gekannt…
    Arnette… Francie… Warum kann ich nicht aufwachen und merken, daß es ein Alptraum war?«
    »Laß los!« zischte Josie ihm ins Gesic ht. Sie versuchte, ihm das Messer zu entreißen. »Und laß endlich das Geschwätz! Du spinnst doch total! Das höre ich mir nicht noch einmal an.«
    »Ich muß…«
    »Du mußt mir zuhören. Sieh mir in die Augen, Dwayne.« Da er Folge leistete, senkte sie die Stimme. »Als Geschwister müssen wir doch zusammenhalten, Dwayne!«
    Der Griff seiner schweißnassen Finger um den Griff des Messers lockerte sich etwas. »Ich würde alles für dich tun, Josie.
    Das weißt du genau, aber…«
    »Sehr schön.« Lächelnd entwand sie ihm das Messer.
    Caroline atmete erleichtert auf. »Und jetzt tu mir einen Gefallen.
    Laß mich das Ganze in die Hand nehmen, dann kann überhaupt nichts geschehen.«
    Dwayne verbarg schluchzend das Gesicht in den Händen.
    »Wie kannst du das sagen?«
    »Trau nur deiner Josie, Dwayne. Geh zu den anderen zurück und schau dir das Feuerwerk an. Und den Rest vergißt du einfach, das ist das Wichtigste. Denk einfach nicht mehr dran.
    Um das Messer kümmere ich mich.«
    Dwayne ließ die Hände resigniert sinken. »Du weißt doch, daß ich dir nie weh tun würde, Josie. Aber ich habe Angst.
    Wenn so was wieder passiert…«
    »Es wird nichts mehr passieren.« Sie verstaute die Waffe in ihrer Handtasche. »Es wird nie wieder passieren, Dwayne, und wir werden die Sache gemeinsam hinter uns bringen.«
    »Ich würde dir ja so gerne glauben. Aber sollten wir nicht lieber Tucker Bescheid…«
    »Nein! Er darf nichts wissen. Und selbst wenn du es ihm erzählst, es würde dein Gewissen ja doch nicht beruhigen. Geh bitte zu den anderen und hab Vertrauen zu deiner guten Josie.«
    »Ich kann einfach nicht mehr denken!« stöhnte er. »Alles geht wie wild durcheinander!«
    »Dann denk einfach nicht. Tu, was ich dir sage. Ich komme gleich nach.«
    Dwayne setzte sich in Bewegung, blieb jedoch nach zwei Schritten stehen. »Josie«, sagte er, den Blick zu
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