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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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Südstaaten. Am liebsten wäre sie mit einer Entschuldigung auf den Lippen davongestürzt, doch dann lächelte sie der kleine Jim, der ganz vorne hockte, aufmunternd an.
    Also bat Caroline die anderen, zunächst ohne sie anzufangen, sie würde mit einfallen, sobald ihr die Melodie ins Ohr gegangen sei. Und wirklich – nach wenigen Takten nur hatte sie das erste Stück erfaßt. Sie klemmte ihre Geige zwischen Schulter und Kinn und stimmte mit ein in ›Whiskey for Breakfast‹.
    Der Funke sprang über – nicht nur auf sie. Die Zuhörer klatschten im Takt, wer das Lied kannte, sang aus voller Kehle mit.
    »Deine Geige raucht ja richtig!« lobte der Banjospieler, der alte Mr. Koons, als es vorbei war. »So, jetzt heizen wir den Leuten mal ordentlich ein!«
    »Aber ich kenne diese Lieder doch kaum…«
    »Das macht doch nichts. Du wirst sie schnell ins Gehör kriegen. Versuchen wir’s mal mit ›Rolling in my Sweet Baby’s Arms‹.«
    Wieder konnte Caroline nach wenigen Takten mitspielen. Mit einem Blues und danach einer schmissigen Nummer ging es weiter. Ihre ursprünglichen Vorbehalte waren wie weggewischt.
    Caroline war alles andere als ein Fremdkörper in dieser Gruppe.
    Dennoch registrierte sie mit einem Auge, daß Burns Dwayne und auch sie beobachtete, daß Bobby Lee beim langsamen ›Tennessee Waltz‹ Marvella zum Tanz auf den Rasen führte, und daß Tucker in einer abgelegenen Ecke mit Burke ein Gespräch führte, ein sehr ernstes, wie sie vermutete. Und sie sah auch, daß Dwayne mit einer Flasche vor den Füßen dahockte und niedergeschlagen zu Boden stierte.
    Caroline ließ das alles einfach geschehen. Die Sonne wanderte nach Westen, vom Jahrmarkt drang der Lärm herüber, die Schatten wurden immer länger – und sie genoß die Musik, das Gelächter und das Klatschen der Menge. Zum Teil erstaunte sie das, denn unter dieser Oberfläche drohte ja weiter Gefahr.
    Hier war sie eine von vielen. Eine Mitspielerin in einem sonderbaren, unheimlichen Spiel. Das Schicksal hatte sie in dieses Knäuel von Hitze, Mord und Wahnsinn verschlagen.
    Doch sie ließ sich nicht unterkriegen. Nein, mehr noch: Sie handelte. Sie glaubte sogar, hier Heilung von all ihren Übeln gefunden zu haben.
    Ihr Blick wanderte zu Tucker hinüber. Ja, sie hatte hier schon viel gewonnen, aber was hinderte sie daran, noch mehr für sich zu erhoffen?
    Der alte Koons riß sie aus ihren Träumen. »Mir ist schon schwindlig im Kopf, so gut spielst du!«
    »Oh, danke, Mr. Koons.«
    »Mensch, Mädchen, du bringst die Fiedel richtig zum Tanzen.
    Jetzt haben wir uns alle ein Bier redlich verdient.« Er erhob sich mühsam. »Und du hältst dich immer noch für eine Yankee?«
    Sie lächelte. Ein größeres Kompliment konnte es im Süden kaum geben. »Nein, Mr. Koons, inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
    »Sie waren wunderbar, Miss Caroline!« strahlte Jim sie an.
    »Ach, weißt du, wenn du vorhin nicht so nett gelächelt hättest, hätte ich mich wohl nicht getraut zu spielen.«
    Nun kam Toby Arm in Arm mit seiner Frau auf sie zu. Er humpelte noch ein wenig, und seine linke Seite zierte ein dic ker Verband. »Wir wollen Ihnen danken, Miss. Ich weiß nicht, was ohne Ihre Hilfe aus uns geworden wäre.«
    »Ich schäme mich richtig, daß ich mich noch nicht bei Ihnen gemeldet habe!« rief Winnie. »Ich konnte meinen Mann ja nur ins Krankenhaus fahren, weil unsere Kinder bei Ihnen und Miss Delia in so guten Händen waren. Dafür kann ich Ihnen gar nicht genug danken.«
    »Ach, das ist wirklich nicht der Rede wert. Unter Nachbarn hilft man sich doch gegenseitig.«
    Die kleine Lucy zupfte Caroline am Ärmel. »Miss Caroline, mein Daddy will noch vor dem Feuerwerk die Nationalhymne singen. Mr. Tucker hat ihn extra darum gebeten.«
    »Wirklich? Dann freue ich mich schon darauf.«
    »So, komm jetzt mit.« Toby nahm seine kleine Tochter bei der Hand. »So wie ich Tuck kenne, sucht er diese Dame schon längst. Da wollen wir die zwei doch nicht stören! Außerdem müssen wir noch ein schönes Plätzchen fürs Feuerwerk finden.
    Es wird gleich dunkel.«
    »Wie lange dauert es denn noch?« drängte Lucy.
    »Eine halbe Stunde noch.«
    »So lange? Ich warte jetzt schon den ganzen Tag!«
    Caroline sah schmunzelnd zu, wie Toby und Winnie mit ihrer immer noch quengelnden Tochter davonzogen.
    Jim schnitt eine Grimasse. »Die ist ja noch ein Baby.«
    Der überhebliche Ton amüsierte Caroline. Letzte Nacht noch hatte Jim seine kleine Schwester unter Einsatz
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