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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein
Autoren: Ake Edwardson
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waren ausgetrocknet. Sie hatten dem Land seinen früheren Namen gegeben. Es war ein gefährdetes Land.
    Trockenes Volta. Armes Volta. Krankes Volta. Gewalttätiges Volta. Gefährliches Volta.
    Ihre Eltern waren in den sechziger Jahren nach Schweden gekommen, einige Jahre, nachdem ihr Land ein eigenständiger Staat geworden war, auf der Flucht vor Verfolgung.
    Ihr Vater hatte eine kurze Zeit im Gefängnis gesessen.
    Er hätte ebenso gut hingerichtet werden können. Ebenso gut. Manchmal war es nur eine Frage von GLÜCK. Sie gehörten dem größten Volksstamm, den Mossi, an, aber das hatte keine Rolle für sie gespielt. Der erste Präsident des Landes, Maurice Yameogo, Führer der Union democratique voltaique, war immer selbstherrlicher geworden und immer weniger democratique, er hatte die Oppositionsparteien verboten und war dann 1966 selbst in einem Militärputsch abgesetzt worden.
    Und so weiter, und so weiter in einer dunklen Spirale.
    Verheerende Trockenheit, verheerende Politik.
    Hungersnot, Viehsterben. Demonstrationen, Streiks , Militärputsche. Hinrichtungen, immer mehr Hinrichtungen.
    Die frühere französische Kolonie erbte Terror und Mörder von den Franzosen, die hier schon seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts gemordet hatten. Jetzt waren die Franzosen weg, aber ihre Sprache war geblieben. Die Bevölkerung war afrikanisch, aber aus ihrem Mund kamen französische Wörter, die offizielle Sprache des Landes.
    Sie hatte als Kind Französisch gelernt, in Göteborg. Sie war das einzige Kind der Familie Djanali. Als sie erwachsen und längst ausgebildete Polizistin war, beschlossen die Eltern in die Hauptstadt Ouagadougou zurückzukehren.
    Für Aneta Djanali war es selbstverständlich gewesen, in dem Land zu bleiben, in dem sie geboren war, aber sie verstand, warum Mutter und Vater in das Land zurückkehren wollten, in dem sie geboren waren, ehe es zu spät war.
    Es war fast zu spät gewesen. Ihrer Mutter waren zwei Monate geblieben. Sie war in der harten, ausgebrannten roten Erde am Nordrand der Stadt begraben worden. Auf der Beerdigung hatte Aneta Djanali gesehen, wie die Wüste von Allen Seiten herandrängte, Millionen Quadratmeter groß. Sie hatte daran gedacht, dass zwölf Millionen Menschen in diesem öden Land lebten und dass es gar nicht so viele mehr waren als im öden Schweden. Hier waren sie schwarz, unglaublich schwarz. Ihre Kleidung war weiß, unglaublich weiß.
    Ihr Vater hatte lange darüber nachgegrübelt, ob die Rückkehr den Tod der Mutter verursacht hatte, jedenfalls indirekt.
    Aneta blieb bei ihm in der Hauptstadt, so lange es sein Wunsch war. Mit großen Augen ging sie durch die Straßen, in denen sie ihr ganzes Leben hätte leben können, statt als Fremde zurückzukehren.
    Hier sah sie aus wie alle anderen. Sie war unglaublich schwarz und sie kleidete sich unglaublich weiß. Sie konnte sich auf Französisch mit den Menschen unterhalten -jedenfalls mit denen, die zur Schule gegangen waren - und auf ein bisschen More mit den anderen, und das tat sie manchmal.
    Sie konnte immer weitergehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, bis hinaus an die Stadtgrenze und in die Wüste, die die Stadt mit ihrem Wind angriff, dem Harmatta. Sie konnte ihn spüren, wenn sie im Haus ihres Vaters saß. Das Haus war wie eine runde Hütte und weiß unter der Sonne, unglaublich weiß. Die Sonne war weiß, der Himmel war weiß.
    Sie hörte den Wind, den schwedischen. Er klang runder und weicher und war kälter. Aber draußen war es nicht kalt. Es war Brittsommer.
    Genau. Sie erhob sich, ging zu den Bücherregalen an der hinteren Wand, nahm das Lexikon mit den Buchstaben SAOL hervor und schlug Brittsommer auf:
    Eine Periode von schönem und warmem Wetter im Herbst, genannt nach dem Tag der heiligen Birgitta am 7. Oktober.
    Sie wusste nicht viel von Heiligen, hatte aber den Verdacht, dass es den meisten Schweden ebenso ging, weißen wie schwarzen. Siebter Oktober. Bis dahin war es noch eine Weile hin. Bedeutete das, dass es noch wärmer werden würde?
    Sie lächelte und stellte den schweren Band zurück ins Regal, ging ins Bad, zog sich aus und ließ heißes Wasser in die Wanne laufen. Sie legte sich ins Wasser, langsam. In der Wohnung war es sehr still. Sie hörte draußen das Telefon klingeln und den Anrufbeantworter anspringen. Sie konnte keine Stimme hören, nur ein behagliches Gemurmel. Sie schloss die Augen und spürte, wie ihr Körper in dem heißen Wasser schwebte. Sie dachte an einen heißen Wind, an den Luxus,
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