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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein
Autoren: Ake Edwardson
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nicht von uns.«
    »Aber von den Behörden?«
    »Ja.«
    »Ihr habt also gegl.«
    »Was hätten wir glauben sollen?«, unterbrach sie ihn.
    »Wir haben ja gehofft, man hofft doch immer, aber . das Schiff ist in der Nordsee untergegangen. Niemand ist gefunden worden, soweit ich weiß.«
    »Was weißt du?«
    »Damals war ja Krieg. Wahrscheinlich konnten sie nicht ohne Risiko nach ihm suchen. Aber wir . meine Großmutter . mein Vater . keiner hat jemals Nachricht bekommen, dass Großvater lebt. Oder dass jemand von der Besatzung gefunden wurde.«
    »Wann ist das passiert?«, fragte Winter.
    »Das Unglück?«
    »Ja.«
    »Nicht lange danach . nachdem sie sich in Sicherheit bringen konnten . also durch die Minen an die schottische Küste. Der Krieg war ja ausgebrochen. Und das Schiff ist im Frühling 1940 verschwunden.«
    »Wie alt war dein Großvater damals?«
    »Einundzwanzig.«
    »Einundzwanzig. Mit einem zweijährigen Sohn?«
    »In dieser Familie heiratet man jung, kriegt jung Kinder. Mein Vater war zweiundzwanzig, als ich geboren wurde.«
    Winter rechnete im Kopf nach.
    »1960?«
    »Ja.«
    »Da bin ich auch geboren.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Wir haben damals darüber gesprochen, erinnerst du dich nicht?«
    »Nein.«
    Sie schwieg.
    »Ich habe diese Kette unterbrochen«, sagte sie dann. »Wie bitte?«
    »Jung heiraten, jung Kinder kriegen. Die Tradition hab ich gebrochen.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Ich hab nicht geheiratet und keine Kinder bekommen.«
    Winter fiel auf, dass sie jünger aussah als zweiundvierzig. Heute bekommen Frauen Kinder, wenn sie noch älter sind, dachte er. Ich weiß nichts von ihrem jetzigen Leben.
    »Wie geht es deiner . Mutter?«
    »Sie ist vor drei Jahren gestorben.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Mir auch.«
    Ihr Blick glitt zum Fenster. Den Blick erkannte er wieder. Im Profil sah sie aus wie das junge Mädchen auf der Klippe im Sonnenschein.
    »Wann habt ihr diesen Brief bekommen?«, fragte er und hielt das Kuvert hoch. Er dachte daran, dass seine Fingerabdrücke darauf waren, zusammen mit Dutzenden von anderen Fingerabdrücken von beiden Seiten der Nordsee.
    »Vor zwei Wochen.«
    »Warum kommst du erst jetzt damit?«
    Und was stellst du dir vor, was ich tun soll?, fügte er in Gedanken hinzu.
    »Mein Vater ist vor zehn Tagen rübergefahren, oder neun. Nach Inverness.«
    »Warum?«
    »Warum? Ist das so verwunderlich? Es hat ihm natürlich keine Ruhe gelassen. Er wollte es wissen.« Jetzt sah sie Winter an. »Er hat eine Kopie von dem Brief und dem Umschlag mitgenommen.«
    Was erwartet er denn dort zu finden?, dachte Winter. Einen Absender?
    »Es ist nicht das erste Mal«, sagte sie. »Er . wir . haben ja Nachforschungen angestellt, aber die haben nichts gebracht.«
    »Wie sollte er denn nur mit Hilfe des Briefes etwas finden?«, fragte Winter.
    Sie antwortete nicht, zunächst nicht. Er sah ihr an, dass sie über ihre Antwort nachdachte. Er war es gewohnt, so etwas zu sehen. Manchmal sah er sogar die Worte, die schon unterwegs waren, jetzt jedoch nicht. Ihr Blick wanderte von ihm zum Fenster und zurück zu ihm und dann wieder zum Fenster.
    »Ich glaube, er hat eine neue ... Nachricht bekommen«, sagte sie jetzt, ohne ihn anzusehen. »Vielleicht einen Anruf.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Nein, aber ich glaube es.« Sie sah auf den Brief, den Winter wieder auf den Schreibtisch gelegt hatte. »Mehr als das da.«
    »Warum glaubst du das?«
    »Es war seine . Entscheidung. Er hat nicht viel gesagt, als der Brief kam. Nur dass es ihm jetzt erst recht keine Ruhe ließ. Das ließ es uns Allen nicht. Aber dann . plötzlich ... wollte er hinfahren. Sofort. Und er ist gefahren.«
    »Und das war vor zehn Tagen?«
    »Ja.«
    »Hat er denn etwas gefunden?« Johanna wandte sich Winter zu.
    »Er hat sich dreimal gemeldet, das letzte Mal vor vier Tagen.«
    »Ja?«
    »Beim letzten Mal hat er gesagt, er sei mit jemandem verabredet.« »Mit wem?«
    »Das hat er nicht gesagt. Aber er wollte sich hinterher melden, sobald er mehr wusste.« Sie beugte sich auf dem Besucherstuhl vor. »Er klang . ja . fast erregt.«
    »Und dann?«
    »Ich hab doch gesagt, das war das letzte Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe.« Er sah die Angst in ihrem Gesicht.
    »Seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet. Deswegen bin ich hier.«

4
    Aneta Djanali war wieder in Kortedala. Es war ein regnerischer Tag, plötzlich kälter als im Frühling. Vielleicht war der Herbst jetzt da.
    Das Häusermeer an der Befälsgatan und Beväringsgatan
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