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Seepest

Seepest

Titel: Seepest
Autoren: Manfred Megerle
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ärztliche
Untersuchung und die Überprüfung seiner persönlichen Verhältnisse ließen an
einer Selbsttötung keine Zweifel aufkommen. Einen Tag später kam ein weiterer
Mann zu Tode. Mitten auf dem See, genauer gesagt auf der Fähre zwischen
Meersburg und Konstanz, erlag er einem Angina-Pectoris-Anfall. Wie die
Ermittlungen ergaben, hatte er sein Nitrospray zwar bei sich, doch das
Fläschchen war leer. So viel zur Vorgeschichte –«
    Unversehens wurde Wolf unterbrochen. Ein Mann, der
Kleidung nach ein Ober des Comturey-Kellers, war von draußen in den Saal
gestürzt, hatte diesen, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen, in
aller Eile durchquert und war durch die seitliche Pendeltür in die Küche
verschwunden. Dort riefen aufgeregte Stimmen durcheinander, ein Gerenne setzte
ein, Türen klatschten.
    Wolf, der nicht gewillt war, sich durch den
Zwischenfall aus dem Konzept bringen zu lassen, fuhr mit erhobener Stimme fort:
»Gut eine Woche nach diesen beiden Todesfällen konnten wir einer Bande das
Handwerk legen, die mit der illegalen Entsorgung von hochtoxischem Müll
Millionen machte. Ihre Masche war ebenso raffiniert wie einfach: Mithilfe einer
extra zu diesem Zweck gegründeten Bauunternehmung ließ sie das Zeug in den
Betonfundamenten großer Neubauten verschwinden. Aus den Augen, aus dem Sinn …
oder, das trifft’s noch besser: Nach uns die Sintflut!«
    An dieser Stelle hielt Wolf eine kleine Pause für
angebracht. Er griff nach dem Wasserglas und trank einen Schluck, ehe er den
Blick erneut auf seine Hörerschaft richtete. »Nun fragen Sie sich zu Recht, wie
dieses Umweltvergehen mit den eingangs geschilderten Todesfällen zusammenhängt.
Da will ich Sie nicht länger auf die Folter spannen, zumal nun endlich die
Wechselwirkung mit der Rechtsmedizin ins Spiel kommt. Jeder von Ihnen dürfte
Fälle kennen, bei denen eigentlich alles klar zu sein scheint – wo einen aber
trotzdem das unbestimmte Gefühl beschleicht, irgendetwas übersehen zu haben.
Aus einem solchen Gefühl heraus …«
    Abermals wurde er unterbrochen, diesmal von einem
gellenden Martinshorn. Offenbar war ein Streifenwagen vor dem seeseitigen
Ausgang des Comturey-Kellers vorgefahren. Blaulicht flackerte aufgeregt durch
die Scheiben der Eingangstüren, um plötzlich, gleichzeitig mit dem Martinshorn,
abzubrechen. Gleich darauf wurde einer der Türflügel aufgerissen, und zwei
Streifenpolizisten drängten in den Saal. Angesichts der festlichen Gesellschaft
blieben sie wie angewurzelt stehen und sahen sich ratlos an, ehe sie mit einer
halblaut gemurmelten Entschuldigung den Rückzug antraten.
    Wolf hatte keine Ahnung, was dahintersteckte, und
ehrlich gesagt interessierte es ihn auch nicht – zumindest nicht in diesem
Moment. Er hatte nur ein Ziel: Er wollte diese verdammte Rede endlich hinter
sich bringen. Mit einem vernehmlichen Räuspern versuchte er, die Aufmerksamkeit
des Auditoriums wieder auf sich zu lenken.
    »Ich muss mich für meine Kollegen vom Streifendienst
entschuldigen, meine Damen und Herren. Sie haben sich offenbar in der Tür
geirrt – oder hat vielleicht jemand den Zwischenfall inszeniert, um die
Spannung im Saal zu steigern?« Zufrieden registrierte er das allgemeine
Schmunzeln ringsum. »Lassen Sie mich nun auf die Aufklärung unserer beiden
scheinbar natürlichen Todesfälle zurückkommen. Zuerst der Suizid. Obwohl es
also nach Prüfen aller Umstände an der Selbsttötung keinerlei begründete
Zweifel gab, beantragten wir eine Obduktion der Leiche. Und siehe da: Frau Dr. Reichmann,
unterstützt von einer Armee winzig kleiner Helfer, stieß bei der Untersuchung
des Mageninhalts auf einen merkwürdigen Umstand. Kaum hatte sie ihre Taufliegen
auf den Speisebrei angesetzt, da streckten sie auch schon alle sechse von sich.
Um es kurz zu machen: Der Tod des Mannes war nicht durch Erhängen, sondern
durch die Verabreichung eines hochtoxischen Insektenvernichtungsmittels
herbeigeführt worden. Diese Erkenntnis setzte eine Maschinerie in Gang, an
deren Ende insgesamt sechs Tote und die Festnahme besagter Bande von
Umweltsündern stand. Deren Krakenarme reichten bis in höchste Ämter von Politik
und Wirtschaft und sogar der Kriminalpolizei. Und es war dem Zusammenspiel von
Gerichtsmedizin und Ermittlungsbehörden zu verdanken, dass dieser kriminellen
Vereinigung das Handwerk gelegt werden konnte – von der dadurch abgewehrten
gesundheitlichen Bedrohung der Bevölkerung durch die vielen Tonnen Giftmüll,
die als
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