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Seepest

Seepest

Titel: Seepest
Autoren: Manfred Megerle
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Lichter von Langenargen, wenig später von Friedrichshafen und Immenstaad
     vorbei. Erst als Meersburg querab lag, drosselten sie die Geschwindigkeit. Kurz
     darauf hatten sie die ihnen angewiesene Zielkoordinate erreicht: in Sichtweite
     der Insel Mainau, direkt am Übergang des Obersees in den Überlinger See. Vor
     ihnen, kaum fünfhundert Meter entfernt, die in warmes Licht getauchte Fassade
     des gräflichen Schlosses.
    Der Wind hatte noch zugenommen, er
     blies nun aus Osten und sorgte für schaumgekrönte Wellen. Besser hätten sie es
     nicht treffen können. Der Irokese sah auf die Uhr. Kurz vor neun. Sie lagen gut
     in der Zeit. Nun würden sie dem Großmaul beweisen, dass sie ihr Geld wirklich
     wert waren.
    Es lief alles wie am Schnürchen.
     Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass kein anderes Boot in der Nähe
     lag, löschten sie ihre Positionslichter. Der Irokese schraubte den Deckel des
     Tankeinfüllstutzens ab und führte vorsichtig den Schlauch der Handpumpe in den
     Tank.
    »Eine Handpumpe? Das ist ja wie in
     der Steinzeit hier!«, hatte er sich noch im Beisein des Schattenmannes mokiert.
     Natürlich wusste er so gut wie jeder andere, dass sie unnötiges Aufsehen
     vermeiden mussten. Das Brummen einer Motorpumpe wäre meilenweit zu hören
     gewesen. Doch das arrogante Gehabe dieses Lackaffen brachte ihn einfach auf die
     Palme, er wusste selbst nicht, warum.
    Der Schattenmann hatte nur hämisch
     gegrinst und geantwortet: »Na und, was gibt’s daran auszusetzen – ihr habt doch
     zwei Hände?« Allein dafür hätte ihm der Irokese am liebsten die Fresse poliert.
    Gewaltsam lenkte er seine Gedanken
     in eine andere Richtung, versuchte, sich auf den Job zu konzentrieren. Vor
     ihnen lag eine schweißtreibende Dreiviertelstunde. Abwechselnd musste jeder von
     ihnen für jeweils fünf Minuten den Pumpenschwengel betätigen, während der
     andere Wache hielt. Liter um Liter ergoss sich der Tankinhalt ihres Bootes in
     den See. Die Pumpe arbeitete geräuschlos, lediglich am Auslauf erklang hin und
     wieder ein schmatzender Laut. Der Ölgestank jedoch war alles durchdringend.
     Mehrfach war der Irokese nahe daran, sich zu übergeben. Nur ein Tuch, das er
     vor Mund und Nase presste, konnte den Brechreiz etwas mildern. Hin und wieder
     legten sie eine kurze Pause ein, in der sie sich in die trockene,
     windgeschützte Kabine zurückzogen und den Füllstandsanzeiger kontrollierten.
     Den Angaben des Instruments zufolge fasste der Tank dreihundertvierzig Liter.
     Mit jeder Minute, die sie pumpten, ging die Nadel weiter zurück, zeigte
     irgendwann zweihundertfünfzig, dann zweihundert, schließlich nur noch etwas mehr
     als hundertfünfzig Liter an.
    Zweihundert Liter hatten sie in den
     See zu pumpen. In dieser Hinsicht war ihre Vorgabe unmissverständlich gewesen.
     Knapp zwanzig Liter fehlten noch, die würde der Kleine auch allein schaffen.
     Höchste Zeit also, dem Schattenmann Vollzug zu melden. Im Gegenzug würden sie
     die Nummer für das Zahlenschloss erhalten und mit der Kohle so rasch als
     möglich die Fliege machen. Wenn man von dem wichtigtuerischen Gehabe ihres
     Auftraggebers einmal absah, dann war es ein recht einträglicher Job gewesen.
     Zehntausend für jeden von ihnen – für nur fünf Stunden Arbeit! So eine
     Gelegenheit bekamen sie nicht alle Tage.
    Der Irokese zog sein Handy hervor
     und tippte die Nummer ein, die ihm der Lackaffe genannt hatte. Endlose Sekunden
     verstrichen. Schon fürchtete er, auf einer Mailbox zu landen, als die
     Verbindung doch noch zustande kam.
    »Ja?«
    Trotz des herablassenden Tonfalls
     gelang es dem Irokesen, sich zurückzuhalten. »Auftrag ausgeführt, keine
     besonderen Vorkommnisse«, meldete er betont neutral.
    »Und wer garantiert mir, dass das
     stimmt?«, kam es misstrauisch zurück.
    »Überzeug dich halt selbst. Aber
     dazu musst du deinen Arsch hierher bewegen«, entgegnete der Irokese ungerührt.
    Kurzes Zögern. »Sorry, hab im
     Augenblick leider keine Zeit.«
    »Scheiß drauf. Nenn mir endlich die
     Nummer des Zahlenschlosses, damit wir hier wegkommen.«
    Da war es wieder, das kaum
     merkliche Zögern. Wollte ihn der Kerl etwa ins Bockshorn jagen?
    »Na gut, dann will ich mal nicht so
     sein. Kannst du dir vier Ziffern merken?«
    »Nun red schon!«
    »Eins … null … drei … sieben.«
    Kaum war die letzte Zahl verhallt,
     kappte der Irokese die Verbindung.
    Na also, geht doch, grinste er
     zufrieden. Mit hochgerecktem Daumen
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