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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Autoren: Nancy Krahlisch
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Shampoo, massierte eine Extra-Pflegespülung ein und föhnte sie aufwendig über eine Rundbürste. Für gewöhnlich trage ich immer einen Zopf, das geht schnell und ist praktisch. Doch weil ich wusste, dass Heribert es mag, wenn ich meine Haare offen trage, gab ich mir besonders viel Mühe. Ich schminkte mich, zwängte mich in meine engste Jeans und zog ein weit ausgeschnittenes weißes T-Shirt an. In meinem ehemaligen Kinderzimmer improvisierte ich ein kleines Fotostudio. Mein schwarzes Satinbettlaken hängte ich vor den Kleiderschrank, den schwarzen Bettbezug legte ich auf den Boden. Dann drückte ich Peter meine analoge Spiegelreflexkamera in die Hand. Digitalkameras waren zu der Zeit noch sehr teuer und kaum verbreitet. Die Spiegelreflexkamera hatte ich mir gekauft, weil ich für die Lokalzeitung, für die ich während der Schulzeit schrieb, auch selbst Fotos machte. Ich fotografierte auf Schützenfesten, diamantenen Hochzeiten, und jeden Freitag fotografierte ich das Baby der Woche auf der Entbindungsstation des Kreiskrankenhauses.
    Weil mein Kinderzimmer für ein Fotostudio nicht groß genug war, musste Peter sich auf das Bett stellen, um den richtigen Abstand zum Schrank zu haben. Er war mit seiner Rolle als Fotograf etwas überfordert. Schlechtgelaunt stand er auf der Matratze, während ich wie ein Möchtegernmodel vor meinem Kleiderschrank posierte. Mir war die Situation mindestens ebenso unangenehm wie ihm, aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Heribert schöne Fotos zu schicken. Also mussten wir da durch.
    Ich hatte einen 36er-Film eingelegt. Sicherheitshalber. Bei 36 Bildern würde am Ende schon irgendetwas Brauchbares dabei sein, dachte ich. Mit jedem Bild wurden Peter und ich lockerer. Nach den ersten fünf Fotos mussten wir immer wieder laut loslachen. Peter gab mir Anweisungen, wie ich mich hinstellen und in die Kamera sehen sollte. Für die letzten Bilder wälzte ich mich lasziv auf dem Bettlaken. Zumindest versuchte ich es. Ich gab mir Mühe, dabei sexy auszusehen. Aber immer wieder prusteten wir vor Lachen laut los.
    Einige der 36 Fotos sind tatsächlich sehr schön geworden. Eine Auswahl von sieben Bildern steckte ich Heribert in den nächsten Briefumschlag. Er war begeistert. Die Bilder begleiten ihn noch heute auf seinen Reisen.
    Ich nehme das Telefon und schreibe eine SMS an Peter. Ich schreibe ihm, dass ich seine britische Indie-Band wirklich vielversprechend finde. Die Musik ist gut und geht direkt ins Ohr. Und ich schreibe ihm, dass ich gerade auf dem Weg nach Falkenberg bin. Peter wollte mich heute Abend mit auf ein Konzert nehmen. Als Ablenkungsprogramm sozusagen. Aber wahrscheinlich hätte ich ihm mit meiner Laune nur den Abend verdorben. Ich sehe aus dem Fenster und frage mich, wann es mir wohl wieder bessergehen wird.
    Die ersten Tage, nachdem Heribert weg ist, sind immer die schlimmsten. So war es auch damals, nach unserem ersten großen Abschied. Tag und Nacht wartete ich auf seinen Anruf. Die Zeit schien stillzustehen. Später telefonierten wir dann etwa einmal in der Woche. Oft nur für zwei oder drei Minuten. Wenn Heribert Landgang hatte und eine Telefonzelle fand, telefonierten wir manchmal auch etwas länger. Aber nie lange genug.
    Ich machte mir ständig Notizen. Ich schrieb mir Fragen auf, die ich beim nächsten Anruf unbedingt stellen wollte. »Wie viele Besatzungsmitglieder seid ihr?«, »Was transportiert ihr genau?«, »Gibt es Frauen an Bord?« Doch dann war ich zu aufgeregt, vergaß alle meine Fragen und konnte den Notizzettel nicht finden.
    Wenn Heribert sich längere Zeit nicht bei mir gemeldet hatte und ich mir Sorgen machte, rief ich auf seinem Schiff an. Er hatte mir die Satellitentelefonnummer gegeben. Für Notfälle, hatte er gesagt. Wenn ich mich sorgte, war es ein Notfall. Trotz verschiedener Billigvorwahlen kostete eine Gesprächsminute bis zu zehn Euro. Meistens dauerte es schon ein paar Minuten, bis er überhaupt auf der Brücke und damit am Telefon war. Die Telefonrechnungen überstiegen meinen BAföG-Satz bei weitem.
    Während unserer ersten Trennungszeit begann auch meine panische Angst davor, einen seiner Anrufe zu verpassen. Ich hatte mein Handy immer dabei. Ohne mein Telefon brachte ich nicht einmal den Müll nach unten. Wenn ich unter der Dusche stand, lag das Telefon griffbereit auf dem Waschbeckenrand. Die Lautstärke war auf das Maximum eingestellt. Im Kino oder im Theater saß ich grundsätzlich am Gang. Den Ton hatte ich ausgeschaltet, aber
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