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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Autoren: Nancy Krahlisch
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sobald mein Telefon vibrierte, rannte ich aus dem Saal. Wenn ich im Zug unterwegs war und keinen Empfang hatte, wurde ich nervös, ich starrte minutenlang auf das Display und verfluchte diese verdammten Funklöcher.
    Auch jetzt habe ich keinen Empfang. Das Telefon liegt vor mir, die SMS an Peter wurde noch nicht abgeschickt. Aber heute bleibe ich ganz ruhig. Ich kann keinen wichtigen Anruf verpassen. Es ist zu früh. Heribert sitzt noch in seiner Maschine nach Caracas. Elf Stunden dauert sein Flug insgesamt. Er meldet sich also frühestens heute Abend. Ich lehne mich zurück und ziehe einen weiteren Brief aus dem Umschlag.
    Mittelmeer, kurz vor Limassol (Zypern)
    27. 05. 2002
     
    Hallo, meine liebe Nancy,
    an Bord gerät gerade alles ein bisschen aus den Fugen. Alle Leute fragen sich, wie es nun weitergehen wird. Es gibt viele Gerüchte, was mit dem Schiff geschehen soll. Die Leute hier an Bord haben Angst, arbeitslos zu werden. Sie glauben, dass das Schiff außer Dienst gestellt wird, um anschließend verschrottet zu werden. Das ist nun Gott sei Dank nicht der Fall. Das Schiff soll noch ein letztes Mal generalüberholt werden. Das ist zwar super, aber das Schlimme ist, dass ich es weiß, es aber niemandem sagen darf. Ich habe es auch nur zufällig erfahren, weil ich Wache hatte und auf der Brücke stand, als das Telex von der Reederei ankam. Der Kapitän hat mir untersagt, darüber zu sprechen. Nun werde ich permanent gefragt, was los sei. Aber was soll ich tun? Bekommt der neue Kapitän heraus, dass ich etwas gesagt habe, kann ich mir gleich eine andere Reederei suchen. Ich finde, dass es eine Sauerei ist, den Leuten hier nichts über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze zu sagen und sie völlig grundlos in Angst zu versetzen. Ich habe auch den alten Kapitän darauf angesprochen. Er ist noch an Bord, fliegt aber von Zypern nach Hause. Er meinte nur, er hätte die Besatzung schon längst informiert, doch er sei offiziell nicht mehr im Dienst. Ihm sind die Hände gebunden, genau wie mir. Ach Nancy, du fehlst mir so. Zu Hause muss ich mich nicht mit solchen Problemen herumschlagen. Ich könnte einfach neben dir liegen und die Welt um uns herum vergessen.
    Draußen ist es gerade schön warm. Ich glaube, an die 30 Grad. Das Schiff schaukelt nur leicht, und eine erfrischende Brise weht durch das geöffnete Fenster herein. Vor ein paar Tagen, als wir noch den Atlantik überquerten, war das ganz anders. Wir hatten über einige Tage hinweg heftigen Sturm. Das hieß Tag und Nacht Bewegung. Nach vorne, nach achtern, nach backbord, nach steuerbord. Alles vibrierte, und permanent hörte man irgendwelche Sachen herunterfallen. Das Schlimmste dabei war, dass an Schlaf nicht zu denken war. Das Bett hier ist so groß, dass ich mich nirgends einklemmen konnte. Ich rollte die ganze Zeit hin und her. Ich habe so oft gedacht, wie schön es doch wäre, bei dir zu sein. Aber beim Einschlafen hat mir das leider auch nicht geholfen. Letztlich habe ich mich dann auf den Boden gelegt und mich zwischen Bett und Schrank eingeklemmt, damit ich nicht die ganze Zeit über den Boden rolle.
    Fast die gesamte Besatzung wurde seekrank. Mir ging es zum Glück gut, zumindest im Vergleich zu den meisten anderen. Ach ja, und das Zweitschlimmste war, dass unser Koch nicht mehr kochen konnte. Nicht etwa, weil er zu krank dafür war, sondern weil es einfach zu gefährlich war. Bei diesen Schaukelbewegungen wäre wahrscheinlich nichts mehr im Topf geblieben. Zu essen gab es also nur noch Brot mit Aufstrich. Du kannst dir vorstellen, wie ich mich gefreut habe, als es das erste Mal wieder eine warme Mahlzeit gab.
    Danke noch mal für deine Briefe. Du weißt gar nicht, wie sehr du mir damit hilfst. Sie geben mir das Gefühl, dass die Entfernung zwischen uns nicht Tausende von Seemeilen beträgt, sondern nur sagen wir mal zehn. Na gut, vielleicht auch zwanzig.
    Mir gefallen meine Arbeit und mein Leben an Bord sehr gut. Doch leider bist du nicht da. Das zwingt mich dazu, in einem ständigen Zwiespalt zu leben. Die Liebe zur See und die Liebe zu dir. Was soll ich bloß tun? Beides zu haben ist so schwer. Bin ich zu Hause bei dir, geht es mir wunderbar. Ich freue mich schon so sehr auf die Zeit, wenn wir beide wieder in Bremen wohnen. Doch auf der anderen Seite ist es ein so gutes Gefühl, morgens auf der Brücke zu stehen, zu beobachten, wie die Sonne langsam aufgeht und dabei das Meer rot färbt. Es ist ein Gefühl von Freiheit, das ich nicht wirklich beschreiben
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