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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn
Autoren: Stacia Kane
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magischen Fühler aus und versuchte, dieser Frau ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Spürte sie Furcht, Wut, irgendetwas? Lupita war zu still. Zu gelassen. Irgendwas stimmte hier nicht.
    Der Henker half Lupita auf die Knie und drückte ihren Hals in die Lünette. Der Trommelwirbel wurde lauter und schneller, lauter selbst als Chess’ Herzschlag oder das Ein- und Ausströmen der magiegesättigten Luft in ihren Lungen. Lauter als ihre Gedanken.
    Sie verstärkte ihre magische Berührung, tastete Lupitas Haut mit ihrer Energie ab, auf der Suche nach irgendetwas ...
    Oh Scheiße!
    Ihr Bein knickte ein, als sie aufsprang, sodass sie fast gestürzt wäre. »Nein! Nein, nicht ...«
    Zu spät. Die Klinge sauste herab und zerschnitt mit einem metallischen Schnick die Luft genau so säuberlich wie den Hals, bevor sie dumpf wie eine Kerkertür in den Block schlug.
    Lupitas Kopf purzelte in den Korb. Blut spritzte aus dem Halsstumpf, lief über den Kopf und über den stumpfen Betonboden.
    Ihr Geist erhob sich - ihr eigener Geist, der einst Madame Lupita gewesen war. Der Hund stürzte sich auf ihn und machte sich daran, die Erscheinung unter die Erde ins Gefängnis vor den Toren der Stadt der Ewigkeit zu zerren.
    Doch auch der andere Geist erhob sich. Der Geist, den Lupita in ihrem Inneren beherbergt hatte. Und für ihn stand kein Psychopomp bereit, und es gab keine Friedhofserde, um ihn zu bändigen. Ein ganzer Saal voller Kirchenangestellter konnte gegen ihn in einem mit Eisen versiegelten Raum hinter verschlossenen Türen nichts ausrichten.
    Chess’ Schrei brach sich endlich Bahn und gellte durch die Luft. Die anderen übertönten ihn gleich darauf mit eigenen Überraschungs- und Angstschreien.
    Der Älteste Griffin ließ die Trommel fallen. Der Hund schnappte sich Lupitas Geist - auf ihrem Arm befand sich eine Kennzeichnung, an der er sie als Zielobjekt erkannte - und sprang in das Feld aus wabernder Luft hinter der Mauer. Das Letzte, was Chess von Lupita noch sah, war ihr Mund, der sich zu einem schrecklichen Grinsen verzerrte, als sie sie alle dem sicheren Tod überließ.
    Der Geist schwebte vor der Guillotine in der Luft. Es war ein Mann; das Haar trug er von der Stirn nach hinten gekämmt, die Augen waren leer und das Gesicht vor wilder Freude verzerrt. Der Älteste Murray brüllte etwas, was sie nicht genau verstand. Ihre Haut juckte und kribbelte, als wollte sie vom Körper fortkriechen. Der Geist war mächtig, zu mächtig. Wer war das, wie verdammt noch mal hatte Lupita es geschafft...
    »Ich befehle dir, dich nicht zu rühren!« Die Stimme des Ältesten Griffin hallte durch den Saal, brach sich an den Wänden und fuhr durch Chess’ Körper. »Bei meiner Macht befehle ich es dir!«
    Es würde nicht funktionieren. Sie wusste ohne hinzusehen, dass er sich vergeblich bemühte. Aber der Henker ... hatte er vielleicht noch einen zweiten Schädel dabei? Oder ein bisschen Friedhofserde?
    Dana schrie. Chess sah hinüber und bemerkte, dass der Geist jetzt mit dem Ältesten Murray kämpfte. Den Mund hatte er zu einem bösartigen Grinsen geöffnet, die Augen vor Anstrengung zu Schlitzen verengt. In der Hand hielt der Geist den Ritualdolch, mit dem der Henker den Psychopomp beschworen hatte.
    Keine Zeit, untätig zuzusehen. Keine Zeit, sie zu beobachten, damit war sowieso keinem geholfen. Der Raum war erfüllt von Lärm, magischer Energie und Hitze, ein verwirrender Bildermix, der ihr Gehirn überforderte. Sie konzentrierte sich auf die Räucherschale, die Rute in der Ecke und den schwarzen Beutel daneben. Der Henker durchwühlte ihn panisch und zog alles Mögliche hervor ...
    Jemand stieß gegen sie, und sie stürzte mit dem Stuhl um.
    Noch mehr Schreie und Rufe. Etwas klirrte auf den Boden. Die magische Energie war kaum noch zu ertragen. Das war kein Rausch mehr, kein Höhenflug. Es war die reinste Invasion, die sie herumschleuderte, ihre Gedanken verwirrte, ihren Blick trübte und die Panik der anderen auf sie übertrug.
    Sie musste sich beruhigen. Ihre Hände verweigerten ihr den Gehorsam. Ihre Tätowierungen prickelten und brannten, wozu sie allerdings auch da waren. Die Anwesenheit des Geistes ließ sie Alarm schlagen. Für dieses Frühwarnsystem war sie normalerweise dankbar, aber im Moment wäre sie liebend gerne ohne ausgekommen. Im Hinrichtungssaal herrschte das reinste Chaos und riss sie in einem wilden, blutigen Strudel mit.
    Okay. Tief Luft holen. Pause. Sie schloss die Augen und suchte tief im Inneren nach der
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