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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn
Autoren: Stacia Kane
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Leere in ihrer Seele. Dem Ort, an dem sich normalerweise Dinge wie Liebe, Glück und Wärme befanden und der bei ihr so gut wie leer war - bis auf zwei Menschen, von denen der eine sie hasste.
    Aber es reichte. Schon dieser Moment der Stille genügte, um den Ereignissen ihren Schrecken zu nehmen, den Lärm auszublenden und sich ihrer eigenen Stärke bewusst zu werden.
    Sie öffnete die Augen. Ihre Gliedmaßen gehorchten ihr wieder. Sie sprang auf, ignorierte den Schmerz - und war die hart erkämpfte Ruhe beinahe gleich wieder los.
    Der Älteste Murray war tot. Er lag ausgestreckt auf dem Boden wie eine Leiche, die auf das Krematorium wartet. Eine klaffende, blutige Wunde grinste sie von seinem Hals an.
    Hinter ihm war der Henker an der Wand zusammengesackt. Seine Robe war blutüberströmt. Durch den Geist hindurch konnte sie ihn kaum erkennen, der jetzt grellweiß war und vor aufgesaugter Energie förmlich platzte. Chess stöhnte. Ein Geist mit so viel Macht war wie ein entflohener Sträfling auf Speed mit Zuckerguss - nicht aufzuhalten, ohne Gefühle, ohne klaren Verstand. Eine Killermaschine, die man nur gewaltsam stoppen konnte.
    Und mit so was waren sie jetzt eingesperrt.
    Oh Scheiße - sie waren mit ihnen eingesperrt. Die Eisenschicht in den Wänden sperrte die Geister des Ältesten Murray und des Henkers genau so unbarmherzig ein wie alle anderen; Chess erspähte sie bereits aus dem Augenwinkel als verschwommene Gestalten, die noch um eine feste Form kämpften.
    Es bestand eine geringe Chance, dass sie nicht hungrig waren, dass sie nicht auf Mord aus waren, aber die Wahrscheinlichkeit dafür war ungefähr so groß wie die, dass sie heute Nacht ohne eine Handvoll Pillen einschlafen konnte - mit anderen Worten, verdammt gering. Vielleicht noch eine Minute, dann würden die Geister endgültig Gestalt annehmen, ihre Kräfte entdecken, und dann wären sie so richtig und komplett angeschissen.
    Blut war auf den Wänden verschmiert, tröpfelte vom glänzenden Fallbeil der Guillotine und strömte in dicken Bahnen über den Betonboden. Es tropfte von der Decke, denn bis dorthin war es aus dem Hals des Ältesten Murray gespritzt; es bildete eine schimmernde Lache um die Leiche, formte ein verwirrendes Muster aus rot umrandeten Fußspuren und war um die geborstenen Trümmer des Hundeschädels verschmiert. Scheiße. Kein Psychopomp. War nicht doch noch einer in Reserve?
    Der Älteste Griffin war blutüberströmt, ebenso Dana, deren Augen weit offen standen. Aber Chess war nicht die Einzige, die entschlossen war, etwas zu unternehmen. Dana blickte finster und wild entschlossen. Der Älteste Griffin sprühte förmlich vor Macht und Stärke.
    Chess erwiderte Danas Blick und deutete mit dem Kopf auf den Beutel. Dana nickte und trat einen Schritt vor.
    »Bei meiner Macht befehle ich dir, dich ruhig zu verhalten«, sagte sie, wobei sie jedes einzelne Wort laut und deutlich aussprach. »Ich befehle dir, an deine Ruhestätte zurückzukehren.«
    Als der Geist sich zu ihr umdrehte, wich Dana zurück, um ihn abzulenken. Chess schlich sich nach links hinüber, während sie versuchte, nicht die Aufmerksamkeit des Geistes zu erregen. Sie musste diesen Beutel in die Finger bekommen, oder sie würden alle draufgehen. Vielleicht würden sie sowieso sterben, aber sie wollte verdammt sein, wenn sie nicht wenigstens versuchen würde, sie zu retten. Das Leben mochte zwar ein Haufen Scheiße sein, aber die Stadt der Toten war noch viel schlimmer - ihrer Meinung nach jedenfalls - und sie hatte nicht die geringste Absicht, sich dahin scheuchen zu lassen. Nicht heute.
    Ihre Füße in den steifen Schuhen rutschten in dem zähflüssigen Blut aus; der Gestank hing als kupfriger Hauch im Kräuterrauch in der Luft. Wie lange würden die noch brennen, und gab es irgendwo noch mehr?
    Der Geist steuerte auf Dana zu, die immer weiterredete und einen Strom von Machtworten ausstieß. Als er das Messer mit einer halbfesten Hand packte, rann Blut die Klinge entlang und lief auf seine durchscheinende Haut. Betrachtete man es durch seine Gestalt hindurch, sah es aus wie schwarze Tinte.
    Sie warf einen Blick zu den Geistern von Murray und dem Henker hinüber. Inzwischen hatten sie sich beinahe verfestigt und erwachten zappelnd zum Leben, wie Maden, die die Köpfe aus einem verfaulenden Steak steckten. Chess - und allen anderen im Raum - blieb nicht mehr viel Zeit.
    Dana schrie. Der Geist warf sich auf sie. Der Älteste Griffin sprang an ihre Seite und kam ihr zur
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