Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub
Autoren: Jana Oliver
Vom Netzwerk:
Repräsentanten der Zunft sollen in zwei Stunden beim Bürgermeister sein. Wir müssen dahin.«
    »Wir?«, fragte Beck überrascht. »Ich auch?«
    »Sicher. Oder ist das ein Problem für dich?«
    Beck hörte den herausfordernden Unterton und schüttelte den Kopf. »Kann die Stadt nicht wenigstens warten, bis wir unsere Toten begraben haben?«
    Stewart schnaubte. »Natürlich nicht. Politiker warten auf niemanden, wenn sie die Schuld irgendeinem anderen armen Idioten geben können.«

3. Kapitel

    Riley wusste, dass es nie leicht war, in der Nähe des Terminus-Markts einen Parkplatz zu finden, aber heute war es noch schlimmer als sonst, da der Markt nah am Schauplatz der nächtlichen Tragödie lag. Nachdem sie eine Weile, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, die Straßen auf und ab gefahren war, entdeckte sie endlich einen Motorroller, der beim Ausparken eine dicke blaue Auspuffwolke hinterließ. Riley quetschte ihren Wagen auf den freien Platz, besorgt, sie könnte den Stand dahinter rammen. Er war voller Strickmützen und Schals, die meisten mit Logos der Georgia Tech oder der Georgia State University. Der Eigentümer, ein älterer Schwarzer, beobachtete sie argwöhnisch bei ihrem Parkmanöver. Sobald sie den Motor abstellte, entspannte sich der Strick-Typ und streckte anerkennend den Daumen in die Höhe. Sie erwiderte die Geste.
    Seit Atlanta auf der immer länger werdenden Liste bankrotter Städte im Land gelandet war, nutzten die Planer jede erdenkliche Möglichkeit, um an Geld zu kommen. Sie hatten die Schulgebäude verkauft, Zigaretten, Alkohol, Tagespflegeeinrichtungen, Weihwasser, Hausunterricht, fast alles, mit Steuern und Abgaben belegt. Als immer mehr Parkplätze leer blieben, weil das Benzin unerschwinglich wurde, verwandelte die Stadt sie in »Einzelhandelsflächen«, was dazu geführt hatte, dass es dort, wo früher Autos parkten, nun Ansammlungen von winzigen Läden gab. Jeder Laden war nur so groß wie die Begrenzung der weißen Linien, so wie bei dem Typ mit den Strickmützen und Schals. Manche Händler mieteten mehr als eine Stellfläche, und so war der Musikladen in der Peachtree Street zu seinem Namen The Five Meters gekommen.
    Riley kroch aus dem Wagen, ihre Botentasche aus Jeansstoff in der Hand. Sie fühlte sich, als sei sie von einem besonders sadistischen Trupp Karate-Experten in die Mangel genommen worden. Als sie am Morgen geduscht hatte, war sie verblüfft gewesen über die vielen blauen Flecken. Weihwasser half nur bei Dämonenwunden, so dass sie in ein paar Tagen ein Flickwerk aus gelben und braunen Beulen sein würde. Zum Glück wurden die meisten davon von der Kleidung verdeckt. Die Prellung an ihrer Hüfte war besonders schmerzhaft, eine kleine Aufmerksamkeit des bösartigen Dämons fünften Grades und des Türgriffs eines Volvos.
    Riley trottete auf dem breiten, gepflasterten Weg in den Centennial Park, wobei sie versuchte, ihre malträtierte Hüfte zu schonen. Früher war dieser Ort lediglich ein Park gewesen, aber für eine offene Grünfläche ziemlich cool, vor allem, weil er mitten in der Großstadt lag. In dem Springbrunnen aus den fünf Olympischen Ringen konnte man wunderbar spielen, und fliegende Händler verkauften Eis und andere Leckereien. Es war immer noch ein abgefahrener Ort, aber heute war es weit mehr als ein Park. Mit der Zeit waren immer mehr Händler mit Campingtischen im Park aufgetaucht, und rasch war eine Stadt in der Stadt entstanden. Mittlerweile war der Terminus-Markt, wie er genannt wurde, rund um das Jahr geöffnet.
    Bevor sie den Markt betrat, blieb Riley auf dem Gehweg stehen und gestattete sich, ihren Erinnerungen nachzuhängen. Als sie die Augen schloss, hätte sie schwören können, die Stimme ihre Mutter zu hören, wie sie mit ihrem Vater schimpfte, weil er unbedingt
nur noch ein einziges Buch
über den Bürgerkrieg kaufen musste.
    »Ich vermisse euch so«, flüsterte sie.
Ich wünschte, ihr wärt hier
. Dann setzte sie ihren Weg in das chaotische Markttreiben fort.
    Ursprünglich hatte es einmal einen Plan für all das gegeben – Lebensmittelhändler in dem einen Bereich, Handwerker in dem anderen und so weiter. Doch als sich der Markt immer weiter in alle Richtungen ausdehnte, wurde dieser Plan ignoriert. Die Zelte waren in den unterschiedlichsten Farben gestaltet, von Tiefschwarz bis Leuchtendrot, manche waren schlicht, andere mit Fähnchen und Wimpeln verziert. Alle verfügten über irgendeine Art der Beleuchtung, da die Stände in der Regel bis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher