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Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub
Autoren: Jana Oliver
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Inmitten des Markts wirkte sie alterslos, wie eine Elfenkönigin.
    »Ayden?«, rief Riley und blieb ein paar Schritte entfernt stehen.
    Die Hexe blickte auf, dann schoss sie hinter dem Tresen hervor und stürzte sich auf sie wie eine Mutter auf ihr vermisstes Kind. Die Umarmung war nicht kurz und flüchtig, sondern verriet Riley, dass die Hexe überglücklich war, sie am Leben zu sehen.
    »Göttin, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht«, sagte Ayden und ließ sie los.
    »Tut mir leid. Mein Handy ist verschmort, so dass ich deine Nummer nicht hatte. Ich habe jetzt das Telefon von meinem Dad.«
    »Und meine Visitenkarte hast du auch verloren?«, tadelte Ayden sie.
    »Äh … nein.« Sie lag auf dem Boden ihrer Botentasche, irgendwo unter all dem anderen Zeug. »Daran habe ich gar nicht gedacht.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Ayden. »Du lebst. Das ist das Einzige, was zählt.«
    »Dad ist verschwunden. Jemand hat ihn letzte Nacht aus seinem Grab geholt. Er war da, im Tabernakel, und er …« Rileys Schultern begannen zu beben.
    Sie bekam noch eine Umarmung, und dieses Mal benässten ihre Tränen die Schulter ihrer Freundin. Als sie einander losließen, kramte Riley in ihrer Tasche nach einem Taschentuch.
    »Komm. Da drüben verkauft ein Mann heißen Cidre. Ich glaube, den können wir beide gerade brauchen.«
    Riley putzte sich die Nase, während sie ihrer Freundin durch die verschlungenen Wege des Marktes folgte. Das Zelt des Cidre-Händlers erinnerte Riley an einen Türkischen Basar. Rote Stoffe, möglicherweise Seide, hingen unter dem traditionellen Zelttuch und waren mit goldenen Ketten geschmückt. Aus einem Räuchergefäß in der Ecke stiegen aromatische Düfte auf. Der Händler war dunkelhäutig, aus dem Nahen Osten vielleicht, und an der Art, wie er Ayden anlächelte, merkte Riley, dass er ein Auge auf ihre Freundin geworfen hatte. Ayden erwiderte das Lächeln, aber nicht ganz so herzlich, bestellte die Getränke und führte Riley in den hinteren Teil des Zelts, fort von den anderen Gästen. Sie ließen sich auf riesigen Plüschkissen in der Nähe der elektrischen Heizung nieder. Der Cidre schmeckte wunderbar und wärmte Riley vom ersten Schluck an. Nicht so köstlich wie heiße Schokolade, aber auch nicht schlecht.
    »Erzähl mir, was mit deinem Dad passiert ist«, sagte Ayden.
    Riley setzte den großen Becher auf ihrem Schoß ab. »Ich musste zur Versammlung, also hat der Friedhof einen neuen Freiwilligen geschickt, um Totenwache zu halten. Ein Nekro hetzte einen riesigen, magischen Drachen auf den Typen. Der hatte eine Drachenphobie, geriet in Panik und zerstörte den Kreis. Die Leute vom Friedhof haben keine Ahnung, wer der Nekro war.«
    »Wahrscheinlich Ozymandias, vor allem, nachdem du ihn beleidigt hast.«
    Riley stöhnte auf. Vor ein paar Nächten hatte Ayden ihr bei der Totenwache auf dem Friedhof Gesellschaft geleistet und mit auf das Grab ihres Vater aufgepasst, während sie sich eine Flasche vom selbstgekelterten, starken Hexenwein geteilt hatten. Riley war etwas beschwipst gewesen, und als Ozymandias auftauchte, dieser unheimliche Nekromant, der einem der Bösewichte aus
Herr der Ringe
ähnelte, hatte sie ihn vorlaut beleidigt. Sie befand sich im Inneren eines Schutzkreises, was also sollte er ihr schon anhaben können?
    Meinen Dad stehlen, das konnte er tun
. »Das war ziemlich dumm von mir«, gab Riley zu.
    »Da kann ich nicht widersprechen.«
    »Hey, ein bisschen ist es aber auch deine Schuld. Es lag an deinem Wein, der war echt gemein stark.«
    »Es lag an deinem Mundwerk«, konterte Ayden. »Aber egal, dein Dad läuft jetzt ein Jahr lang frei herum. Dagegen kannst du nicht viel machen.«
    »Ich werde nicht zulassen, dass er über der Erde bleibt.«
    »Denk nicht einmal daran, du könntest dich mit einem Nekromanten anlegen und damit durchkommen«, tadelte die Hexe. »Besonders, wenn es sich um Ozymandias handelt. Ich habe das nicht nur so dahergesagt, als ich dir erzählte, dass er auf dunkle Magie abfährt. Lass es einfach sein, okay?«
    Nicht okay.
    Riley schwieg, um einen Streit zu vermeiden. Ayden nahm das Schweigen als Zustimmung und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Rest des Cidres in ihrem Becher zu.
    »Möchtest du darüber reden, was im Tabernakel passiert ist?«, fragte sie leise.
    Ohne nachzudenken, schüttelte Riley den Kopf. Wie sollte sie erklären, wie es sich anfühlte, zusehen zu müssen, wie Menschen, die sie kannte, zerfleischt und gefressen wurden? Was sie bei dem
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