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Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub
Autoren: Jana Oliver
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nach Mitternacht geöffnet waren.
    Riley blieb vor einem Zelt stehen, in dem ein totes Tier an einem Spieß über einem großen Holzfeuer hing. Ein Junge hatte die Aufgabe, den Spieß zu drehen, und Riley merkte, dass er seine ganze Kraft dafür brauchte. Bei jeder Drehung traten seine Muskeln hervor. Das Schild am Zelt besagte, dass es sich um ein Schwein handelte, aber das konnte man nie wissen. Manchmal verkauften sie auch Ziegenfleisch. Doch was es auch war, es roch gut. Ihr Magen beschwerte sich und erinnerte sie daran, dass sie den ganzen Tag noch nicht viel gegessen und getrunken hatte, bis auf die heiße Schokolade.
    Später.
    Ein Stückchen weiter verkaufte ein Mann gebrauchte Möbel – Stühle, Tische, Kommoden. Manche der Teile waren in einem noch übleren Zustand als das Zeug aus dritter Hand, das ihre winzige Wohnung vollstopfte.
    »Riley?«, hörte sie jemanden rufen.
    Sie drehte sich um, diese Stimme würde sie überall wiedererkennen. Ebenso den Körper. Der Mann, der auf sie zuschritt, trug ein schwarzes T-Shirt, Jeans und einen stahlgrauen Staubmantel, der über den Boden fegte. Er war über einen Meter achtzig groß, hatte schimmerndes, tiefschwarzes Haar und dunkle Augen. Zum Dahinschmelzen. Was ihr an ihm am besten gefiel, war jedoch seine Ausstrahlung, die dem Rest der Welt sagte, sich gefälligst hinten anzustellen und zu warten, bis
er
fertig war.
    Was mache ich da?
Sie sollte wirklich kein Auge auf andere Kerle werfen, solange sie mit Simon zusammen war, besonders, wenn er im Krankenhaus lag.
Aber ein kurzer Blick kann doch nicht schaden …
Das war noch kein Betrug.
    »Ori«, rief sie laut, »was machst du hier?«
    »Ich versuche immer noch, ein ordentliches Schwert aufzutreiben«, sagte er.
    Riley lächelte. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war er in einem Zelt gewesen, in dem alle möglichen scharfen, spitzen Gegenstände verkauft wurden. Er hatte ein Schwert in der Hand gehalten und ausgesehen wie der Held in einem Liebesroman.
So sieht er immer noch aus
.
    »Wie geht’s dir nach der letzten Nacht?«, fragte er und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf sie.
    »Mir geht’s gut.« Ihre Standardantwort.
    Ori musterte sie aus diesen kohlrabenschwarzen Augen. »Probier’s noch einmal«, sagte er leise.
    Sie ließ die Schultern hängen. »Die Wahrheit? Das Leben ist scheiße. Es gibt einen Haufen toter Dämonenfänger, und um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, ist mein Dad reanimiert worden.«
    Ihr Begleiter sah sie überrascht an. »Von wem?«
    »Keine Ahnung«, sagte Riley und hob niedergeschlagen die Hände.
    »Das tut mir wirklich leid.« Ori trat näher zu ihr, was kleine Schauder auf ihrer Haut auslöste. Sie begriff nie, warum das so war, aber es fühlte sich gut an. Er klang aufrichtig, woraufhin sie Gewissensbisse plagten. Viele ihrer Erinnerungen an den vergangenen Abend waren verschwommen, doch eine Szene stand kristallklar vor ihren Augen: Ori, der sie aus dem Krater zog, während er dem Dämon fünften Grades drohte und ihn zurückweichen ließ. Wenn er nicht gewesen wäre, würde sie jetzt neben ihren Eltern liegen. Zumindest neben ihrer Mutter.
    Verlegen bohrte sie die Spitze ihres Tennisschuhs in den Boden. »Habe ich mich eigentlich schon bei dir bedankt, dafür … na ja, dass du mir … das Leben gerettet hast?«
    »Nein, aber jetzt gerade«, erwiderte er, als sei das keine große Sache.
    »Tu nicht so bescheiden«, protestierte sie. »Du hast mich gerettet. Jetzt hast du bei mir was gut.«
    In seinen Augen blitzte etwas auf. »Allerdings.«
    »Ich weiß, es klingt komisch, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was passiert ist, nachdem ich das Auto erreicht habe. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf dem Friedhof bin.«
    »Das kommt vor. Wenn der Verstand mit etwas konfrontiert wird, mit dem er nicht fertig wird, dann schaltet er sich einfach ab.«
    »Ich wünschte, das würde bei den Albträumen genauso funktionieren.«
    Seine Hand berührte ihre. Sie war warm, und Riley spürte, wie die Hitze durch ihre Haut hindurchstrahlte. Es war keine dieser besitzergreifenden Gesten, sondern eher eine sehr zärtliche.
    »Nicht viele Fänger-Lehrlinge würden einen Geo-Dämon herausfordern«, sagte er.
    »Ich wollte ihn nur davon abbringen, die anderen zu töten.«
    »Was ausgesprochen mutig war. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel.«
    Sie spürte, wie ihre Wangen plötzlich heiß wurden.
Er findet mich mutig. Wie cool ist das
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