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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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sein. Das verordne ich dir als dein Arzt. Man muss immer tun, was der Doktor sagt.“
    „Greg ist auch ein Doktor“, sagte Sam.
    „Aber ein ganz anderer“, sagte George. Jerry gab George ein Zeichen, indem er so tat, als drücke er den Kolben einer imaginären Spritze nach unten.
    Noch benommen von der Narkose.
    George nickte. Jerry stand auf.
    „Lass uns morgen darüber sprechen. Du erinnerst dich später sowieso an nichts mehr, was wir jetzt sagen, glaub mir.“
    Jerry kniff Sam sanft in die Schwanzflosse, der daraufhin sirrte.
     „Und lass mir den Nebelfisch nicht an meinen PC in dem Zustand. Sonst ersteigert er noch ein Haus oder so was. Wo ist denn diese Halle?“, fragte Jerry.
     
     
    „Er schläft jetzt, Doktor“, sagte Schwester Lincoln und schaute noch mal kurz durch das Sichtfenster zu dem alten Mann, der in dem Krankenbett lag.
    „Gut. Danke. Haben Sie noch etwas herausgefunden?“
    Der Arzt warf einen Blick auf das Papier in seiner Hand.
    „Allerdings. Er hat keine Kinder, ist unverheiratet, im Ruhestand. Er hat also auch keinen Sohn“, sagte die Schwester.
    „Vielleicht ein Schock vom kalten Wasser. Ist denn ein Junge oder junger Mann in den letzten Stunden als vermisst gemeldet worden? Oder hat jemand eine Leiche gefunden?“, fragte der Arzt.
    „Nein, auch nicht. Das haben wir überprüft. Der Fischer, der ihn gefunden hat, sagte nur, dass er fortwährend behauptete, seinen Sohn erschossen zu haben. Und er ist wirklich kinderlos.“
    „Aber eine Waffe hatte er nicht bei sich?“
    „Nein.“
    „Also gut, lassen Sie uns abwarten. Vielleicht kommt die Erinnerung ja zurück. Und rufen Sie Dr. Andres an. Der soll sich das mal ansehen, ob er vielleicht ein Fall für seine Klinik ist, wenn Sie wissen, was ich meine.“
    Er gab der Schwester das Klemmbrett zurück und ging Richtung Cafeteria. Kurz dachte er noch über den alten Mann nach, dann ließ er zu, dass der Geruch von frischem Kaffee alle Gedanken an Patienten und ihre Schicksale verdrängte.
     
     

    „Donnerwetter, nicht schlecht!“ Jerry wühlte in einer Kiste und zog ein paar medizinische Instrumente heraus.
    George betrat das Zimmer, in dem Abernathy Laine eingesperrt hatte und sah sich um.
    „Mistkerl“, murmelte er.
    Sam saß in dem Aquarium und beobachtete die beiden durch die Scheibe. Er trug ein wasserdichtes Pflaster auf seiner Wunde und er durfte nicht wild umherschwimmen. Das hatte Jerry verboten. Er mochte Jerry. Obwohl er auch ein Doktor war – wie Greg – tat er ihm nicht weh. Jerry versuchte auch nicht, ihn in ein Labor mitzunehmen und auf einem Tisch festzubinden. Doktoren waren wohl doch sehr verschieden. George hatte recht gehabt. Sam sah George in Laines Zelle umher gehen. Ihn mochte er auch. Sehr sogar. Und George wusste immer, was zu tun war. Sam fühlte sich wohl und sicher in seiner Gegenwart. Trotzdem musste er immer wieder an Greg denken. Wo er wohl war? Vielleicht war er tot, aber das wusste niemand genau. Sam glaubte nicht, dass Greg ihn nur belogen hatte. Da war etwas gewesen, etwas Echtes, Freundliches. Und das vermisste er.
    „Da hinten gibt’s alles, was dein Doktorenherz begehrt“, sagte Bill, der eben vom anderen Ende der Halle zurückkam.
    „Nimm, was du kriegen kannst. Und gib nichts zurück“, sagte George. „Da erstrahlt deine Praxis bald in neuem Glanz. Abernathy hat wohl keine Kosten gescheut. Bestimmt vermacht er es dir gerne.“
    „Das ist ja wie im Schlaraffenland!“ Jerry war bereits unterwegs zu der kleinen Metalltür.
    „Und dann rechts!“, rief Bill ihm nach.
    „Wie fühlst du dich hier, Schätzchen?“, fragte George seine Tochter. „Möchtest du lieber raus gehen?“
    „Nein, ist okay“, sagte Laine. „Er hat mir ja nichts getan. Hab ja kein Trauma oder so.“
    Sie suchte Sams Blick. Seit Sam angeschossen worden war, hatten sie kaum ein Wort miteinander geredet. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Es fühlte sich irgendwie festgefahren an. George hatte ihr geraten, Sam Zeit zu lassen. Seine Wunde musste heilen, er brauchte Ruhe. Eine Aussprache würde ihn vielleicht zu sehr aufregen. Sie hatte aber im Stillen viel nachgedacht. Wie war es dazu gekommen, dass sie jetzt mit Bill zusammen war? Hatte sie das gewollt? Sam war ein süßer Junge, freundlich, hübsch … und er mochte sie. Warum hatte sie das getan? Hatte Abernathy doch recht gehabt? War sie selber schuld? Laine sah, wie Bill mit ihrem Dad redete. Er lachte. Sie mochte Bills Lachen. Er war ruppig,
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