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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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lächelte.
    „Keiner von uns kann das. Sam noch weniger, als ich. Und Sie wissen doch sowieso alles besser, also wozu soll ich Ihnen das erklären. Eines Tages werden Sie an meine Worte denken und sich wünschen, Sie hätten auf mich gehört.“
    „Das glaube ich nicht. Sam wird ein gutes Leben haben, warum sollte er nicht? Ich sorge schon dafür“, sagte George.
    „Sie überschätzen sich“, sagte Marc.
    „Mein Job ist es, Kinder zu retten und zu schützen, nicht, sie aufzugeben, wenn es schwierig wird“, sagte George.
    „Lobenswert, aber Sam ist kein Menschenkind.“
    „Warum ist Sam nicht bei seiner Mutter geblieben?“
    Marc schüttelte den Kopf. „Sie denken zu menschlich und das ist Ihr Fehler. Glauben Sie mir einfach, dass er dort nicht bleiben kann. Er kann nirgendwohin.“
    Marc sah zu, wie Jerry ein wasserdichtes Pflaster über die genähte Wunde klebte und seufzte. Jerry würdigte ihn keines Blickes. George kannte seinen Freund. Jerry stand kurz vor einer Explosion und riss sich George zuliebe zusammen.
    „Sie müssen zugeben, dass es etwas konfus klingt, was Sie da sagen. Sie glauben, Sam ist in Gefahr und wollen ihn schützen, indem Sie ihn wegjagen. Aber Sie wissen auch, dass er alleine nicht lange überleben kann …“, sagte George.
    „… danke für die Zusammenfassung. Genauso ist es“, unterbrach ihn Marc. „Wenn er einfach so verhungert wäre oder Sie ihn jetzt in Ruhe gelassen hätten, das wäre eine Gnade für ihn. Bei mir ist er in Gefahr und bei Ihnen auch. Irgendwann werden Sie wissen, wovon ich rede. Aber dann wird es leider zu spät sein. Was dann geschehen wird, ist schlimmer für ihn als ein natürlicher Tod. Ich sehe schon, dass Sie glauben, alles im Griff zu haben. Ist Ihre Entscheidung. Ich habe Sie gewarnt.“
    „Ich habe die Warnung zur Kenntnis genommen. Sind Sie jetzt bereit, wenigstens etwas Blut zu spenden?“, fragte George.
    „Ich glaube nicht, dass sich sein Blut mit meinem verträgt. Aber bitte, versuchen Sie’s nur. Ich tue das für meinen Bruder, weil er es gewollt hätte. Nicht, weil ich es richtig finde“, sagte Marc.
    „Ich mache einen Kreuztest“, sagte Jerry.
     
     
    Während Jerry sich um Marc kümmerte, organisierte George mit Bill Dutzende Liter Meerwasser, die sie in Jerrys kleinem Bad in die Badewanne füllten. Dann ging George in die Praxis zurück. Marc saß neben Sam an der Liege und starrte trübsinnig vor sich hin.
    „Und?“, fragte George sofort, als Jerry ins Zimmer kam.
    „Wir lassen es“, sagte Jerry. „Unser Kollege hier hat einiges an Alkohol im Blut. Außerdem verträgt sich sein Blut tatsächlich gar nicht mit Sams.“
    „Das war klar“, warf Marc ein.
    „Woher wollen Sie das so sicher wissen?“, fragte Jerry.
    „Verdammt, wie oft denn noch? Ich kann Ihnen nichts sagen. Sie hören einfach nicht zu“, antwortete Marc.
    „Das Wasser ist in der Wanne“, sagte George. „Wie geht es ihm denn?“
    „Er ist schwach, aber es wird schon, denke ich. Ich häng ihn weiter an den Tropf“, sagte Jerry. „Du kannst ihn rüber bringen.“
    „Nein“, sagte Marc. „Das mache ich.“
    Jerry hob die Brauen. „Ach, auf einmal?“
    Marc stand auf und nahm Sam vorsichtig auf den Arm. Er hielt ihn ein paar Sekunden und George glaubte, einen feuchten Schimmer in Marcs Augen zu sehen.
    „Na los, machen Sie mir die Tür auf“, sagte Marc.
    George öffnete die Tür.
    Dann trug Marc seinen tief schlafenden Neffen in das Bad, während Jerry den Tropf hinter ihm hertrug und ließ ihn ins Wasser gleiten. Als Marc das Wasser berührte, erschauerte er deutlich.
    „Ich muss jetzt gehen“, sagte er. „Es wird Zeit für mich.“
    „Ich fahre Sie“, sagte Bill. „Laine ist übrigens auf dem Sofa eingeschlafen. Sie ist fix und fertig.“
    „Wer letzte Nacht nicht geschlafen hat, hebt die Hand“, sagte Jerry. Er packte George am Arm und hielt ihn hoch.
    „Schon gut, Mann. Sobald Bill zurück ist, legen wir uns ne Runde aufs Ohr. Machen Sie’s gut, Marc. Wir wissen ja, wie wir Sie finden können.“
    „Sie sind unglaublich arrogant, sich einzubilden, Sie könnten mit Sam richtig umgehen. Ihr sogenannten Menschen seht einmal hin und glaubt schon, alles zu wissen und beurteilen zu können. Wenn Sam in einem Versuchslabor endet, ist das Ihre Schuld. Denken Sie dran“, sagte Marc.
    „Ich werde Sam nicht allein lassen“, antwortete George ruhig.
    Marc nickte.
     „Ja, ich weiß. Es gibt kein einziges Argument, mit dem man Vernunft in Ihr
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