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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Hirn prügeln könnte. Aber das kenne ich von euch nicht anders. Deshalb rottet ihr euch auch selber aus. Aber eine Sache noch. Verbieten Sie Ihrer Tochter das gemeinsame Schwimmen mit Sam. Er könnte sie töten. Er kommt jetzt in das Alter.“
    „In das Alter?“, fragte George.
    Marc grinste. „Dürfte für Sie ja kein Problem sein. Sie können ja alles. Und noch ein Tipp. Sam ist noch weniger menschlich, als ich es bin.“
    „Noch weniger? Kann das denn möglich sein“, murmelte Jerry. Marc warf ihm einen undeutbaren Blick zu.
     „Wie er sich mal entwickeln wird, ist reine Spekulation. Nicht mal ich weiß es.“
    Er warf einen letzten Blick auf Sam und verließ den Raum.
    George runzelte die Stirn. Jerry zuckte die Achseln.
    „Für mich hat der Typ ein Rad ab. Ganz klar. Kaffee?“
    „Unbedingt“, sagte George. „Hast du gesehen, wie klein Sam auf seinem Arm aussah?“
    „Klar hab ich das. Komm mit in die Küche. Ich brauch ne Fluppe.“
    George folgte seinem Freund in die kleine, spartanisch eingerichtete Küche, wo Jerry den Wasserkocher anwarf.
    „Was schätzt du, wie alt Sam ist?“, fragte George ihn.
    „Also verglichen mit seinem Oheim ist er ja voll der Welpe, wenn du weißt, was ich meine. Kann nicht älter als fünfzehn sein nach unseren Maßstäben. Oder vierzehn, was weiß ich. Hast du Marcs Hände gesehen? Das sind Bananenstauden. Stell dir den mal im Wasser vor, wie der abgeht. Ich werde nie wieder entspannt rausschwimmen. Was mach ich, wenn da plötzlich Bananenhand vor mir auftaucht? Wenn der nur halb so gut gelaunt ist wie heute, dann …“ Jerry imitierte Dr. Mc Coys Stimme: „… bin ich so gut wie tot, Jim.“
    „Ein Wahnsinnskaliber“, sagte George. „Ich hoffe, Sams Mutter war nur einen Meter zwanzig hoch.“
    „Darauf trinken wir einen.“ Jerry goss zwei Tassen Kaffee ein. „Die Konstitution liegt aber in der Familie. Bin echt baff, dass der Kleine das gepackt hat.“
    „Wie eng war’s denn wirklich?“, fragte George.
    „Die Infusion hat ihn halbwegs wieder hergestellt“, sagte Jerry. „Er hat einen unglaublichen Lebenswillen. Aber ich dachte, es baut Marc ein wenig auf, wenn er ihm helfen kann. Schien ja nicht der Fall zu sein. Und was der für ein Zeug geredet hat. Was meint er wohl damit?“
    „Ich glaube, dass er zwischen Zuneigung, Verantwortungsgefühlen und diversen Ängsten hin und her surft. Und die sind nicht gerade aus der Luft gegriffen. Wenn jemand Sam entdeckt, kann das böse enden. Kannst du dir vorstellen, was in dem Jungen vor sich geht? Erst erlebt er den gewaltsamen Tod des Vaters live mit, dann verstößt ihn sein Onkel und bürdet ihm auch noch die ganze Schuld auf. Und Sam versucht, alleine zu überleben.“
    „Armes Kerlchen, keine Frage“, sagte Jerry. „Was willst du tun? Ins Kinderheim kann er ja nicht. Es sei denn, die haben nen Pool.“
    „Eins nach dem anderen. Ich finde eine Lösung. Jetzt muss er erst mal gesund werden. Und er braucht Stabilität. Irgendwas, worauf er sich verlassen kann. Er braucht Zuwendung.“
    „Und Marc ist eindeutig unterqualifiziert, ihm etwas in der Richtung zu bieten“, warf Jerry ein und betrachtete George nachdenklich. „Aber du denkst, dass du es kannst, hab ich recht?“
    „Ist der Gedanke so abwegig?“, fragte George.
    „Einen Jungen, halb Fisch, halb Mensch, mit totem Vater und verrücktem Onkel seelisch wieder auf den Pfad bringen … nee … nichts wäre naheliegender.“
    George grinste. „Jedenfalls haben wir’s noch drauf.“
    Er hob seine Tasse. „Aber du brauchst dringend ein paar neue Geräte hier. Und ne Kaffeemaschine.“
    „Da sieht man, dass du keine Ahnung hast. Den muss man frisch aufbrühen. Von Hand. Das schmeckt am besten. Auf Marc! Der muss auch dringend mal frisch aufgebrüht werden.“
    „Jau“, sagte George und nahm einen herrlichen Schluck heißen Kaffee.
     
     
    Sam versuchte, die Augen zu öffnen, aber es fiel ihm so schwer, dass er sie wieder schloss. Jemand sprach mit ihm, und er verstand auch die Worte, aber irgendwie bedeutete das nichts. Er spürte, dass jemand seine Hand hielt. Das mochte er und er blieb still liegen, damit das Handhalten nicht aufhörte. Menschen hielten einem wohl nur die Hand, wenn man krank war oder es einem schlecht ging. War er krank? Sam war sich da nicht sicher. Die Stimme sprach wieder freundlich mit ihm und Sam genoss auch das. Es war schön, wenn sich jemand um ihn kümmerte und freundliche Worte sagte. Langsam wurde sein Denken
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