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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
Autoren: Sergej Minajew
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diese Art entsteht die Illusion eines gut getarnten MG-Nestes, in dem sich die Sekretärinnen verschanzt haben. Die übrigen Mitarbeiter belagern diese hypermoderne Festung Woche für Woche ergebnislos, in der verzweifelten Hoffnung, irgendeine kleine Information zu bekommen, die sie dringend benötigen, oder einen Dienstwagen bestellen zu lassen oder mit einem Topmanager verbunden zu werden. Fügt man zu diesem Bild noch die massiven Stahlbetonstirnen der Sekretärinnen hinzu, ihr Schnellfeuergequatsche und die Salven übelster Grobheiten, die sie wie Mörsergranaten auf die niederen Angestellten abschießen, wird aus der Illusion knallharte Wirklichkeit. Oh ja, viele findet man nicht, die bereit sind, sich wie jener heldenhafte Matrosow im Zweiten Weltkrieg als Kanonenfutter vor die Schießscharten dieser Festung zu werfen, um das
ganze Büro vor der Impertinenz, Arbeitsscheu und radikalen Unfähigkeit der Sekretärinnen zu bewahren.
    Natürlich fragt man sich, ob es nicht das Einfachste wäre, sie rauszuschmeißen und sich ein paar neue zu suchen, die höflicher, liebenswürdiger und fähiger sind. Aber das geht nicht so ohne weiteres! Eines der ersten Dinge, die sie spitzgekriegt haben, ist, dass sie nur im richtigen Moment schwanger werden müssen – sobald sie nämlich das Unwetter der Kündigung aufziehen spüren. Zweitens beherrschen sie alle Tricks, wie sie auf den freigewordenen Stellen ihre eigenen Freundinnen unterbringen, die natürlich genau solche dickschädeligen Ziegen sind wie sie selber. Und auf diese Weise reift bei der Geschäftsführung schließlich die Überzeugung heran, dass der Begriff »Sekretärin« keine Berufsbezeichnung ist, sondern eine spezielle menschliche Gattung, die von Kind an auf Begriffsstutzigkeit, Arbeitsscheu und Flegelhaftigkeit abgerichtet wird. Das ist der Zustand in unserem Sekretariat seit Jahren.
    Ich gehe also an ihnen vorbei zu meinem Zimmer, und in diesem Moment ruft mir eine der Ziegen von ihrem Platz aus etwas nach.
    »Warten Sie mal, hier wurde ein Umschlag für Sie hinterlegt.«
    »Ah ja? Von wem ist er?«, frage ich.
    »Ich hab’s aufgeschrieben.« Notgedrungenerweise steht sie jetzt doch auf und beginnt in den Papieren auf ihrem Tisch herumzuwühlen, hat aber sofort vergessen, wonach sie eigentlich sucht. Sie erstarrt in Ratlosigkeit.
    »Wenn Sie es gefunden haben, bringen Sie es mir rein, okay?«, seufze ich resigniert.

    Ich für mein Teil bin sicher, dass unsere Sekretärinnen eigentlich Androiden sind, die mit elektrischem Strom funktionieren. In die Bürostühle sind Kontakte eingelötet, über die die Sekretärinnen mit Energie versorgt werden. Sobald sie aufstehen, wird der Kontakt unterbrochen, und es kommt zu Störungen in ihrem Informationssystem. Im schlimmsten Fall wird ihre gesamte Festplatte gelöscht, und sie sind für einen ganzen Monat außer Betrieb gesetzt. Ohne direkte Stromzufuhr können sie nur die Strecke zur Toilette oder zum Büro des Generaldirektors bewältigen. Wenn sie zur Mittagspause gehen oder nach Hause fahren, aktivieren sie den Betriebsmodus »Draußen«. In diesem Modus können sie ausschließlich solche Informationen empfangen und verarbeiten, die in den erwähnten Taschenbüchern enthalten sind.
    Als ich in mein Zimmer trete, klickt meine Sekretärin schnell den Internet-Explorer weg. Du blöde Ziege! Als wüsste ich nicht, dass du den ganzen Tag in deinem Flirt-Chat hockst, immer auf der Suche nach der großen Liebe, oder wenigstens nach dem nächsten Fick. Irgendwann habe ich mal ihren Chatnamen herausgefunden und sie dann einen halben Tag lang nach Strich und Faden hochgenommen. Am Schluss hab ich ihr dann per E-Mail ein paar Fotos von irgendeinem Muskeltypen geschickt, die ich mir aus dem Internet heruntergeladen hatte und ein Rendezvous im Internetcafé »Max« auf der Nowokusnezkaja ausgemacht. Wie habe ich diese fünf Minuten genossen, als sie errötend und stotternd bat, eine halbe Stunde früher gehen zu dürfen! Ja, ich hatte ganz gut was zu lachen, damals.
    Meine Sekretärin unterscheidet sich kaum von ihren Kolleginnen am Empfang. Sie heißt Katja, ist fünfundzwanzig
Jahre alt und eine ziemlich dumme Gans. Ihre Lieblingsbeschäftigungen sind: stundenlang Mittagspause machen und mit ihren Bürofreundinnen tratschen. Bei allem, was sie tut, fragt sie erst fünfmal nach, aber immerhin ist sie gewissenhaft. Besonders hübsch ist sie nicht, aber das halte ich in diesem Fall eher für einen Vorteil, wenn man
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