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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband
Autoren: E Zeißler
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Treppe hinauf in ihr Zimmer trug.
Sie liebten sich mit der ganzen Kraft der Verzweiflung, der Angst und der unbändigen Hoffnung, dass es tatsächlich eine Zukunft für sie beide gab.
Später, als sie wieder zu Atem gekommen war, richtete Valerie sich auf dem Ellbogen auf und sah John zärtlich an. "Wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren, lass uns gehen."
"Meine tapfere, geliebte
    Ethkeya
", murmelte er. "Es tut mir so leid, dass ich dich da mit hinein gezogen, dass ich dir das angetan habe."
"Ich würde keine Minute davon missen wollen", flüsterte sie zurück.
"Ich weiß." Er schluckte. "Und daher tut es mir um so mehr leid. Ich hoffe, du wirst mir eines Tages verzeihen können."
Noch bevor Valerie fragen konnte, was er damit meinte, spürte sie einen leichten Pieks an ihrem Arm. Irritiert blickte sie auf die kleine Spritze, die John weglegte. "Ich liebe dich und es tut mir leid", waren die letzten Worte, die Valerie hörte, bevor die Dunkelheit sie umfing.

John schaute auf Valeries schlafende Gestalt und versuchte, seiner Gefühle Herr zu werden. Sie freiwillig zu verlassen, war das Schlimmste, das er je hatte tun müssen. Schlimmer noch als Inaras Tod, denn den hatte er nicht verhindern können. Nun jedoch sollte es seine eigene Entscheidung sein, die seine Seele in Stücke riss. Und doch war sein eigener Schmerz nur ein kleiner Teil dessen, was er verspürte. Zu wissen, wie tief er Valerie damit verletzen würde, das war die wahre Folter.
Zärtlich strich er ihr über die Wange. Sie wird mir das nie verzeihen, dachte er verzweifelt und doch wusste er, dass er keine andere Wahl hatte. Wenn er Valeries hoffnungslosem Plan nachgeben würde, würden sie so lange auf der Flucht sein, bis seinen Verfolgern der Geduldsfaden riss. Denn daran, dass sie ihn bereits vor Tagen hätten mitnehmen können, zweifelte er keinen Augenblick. Dennoch könnten sie Valerie, Nalla und ihn noch wochenlang rund um die Welt jagen, nur um zu sehen, ob er irgendwann selbst zur Vernunft kam und sich an seine Pflicht gegenüber seinem Volk erinnerte. In diesem Fall würde Valerie in ständiger Angst leben. Sie würde ihr eigenes Leben aufgeben müssen, nur um am Ende doch zu scheitern. Dann würde ihr wirklich nichts mehr bleiben. Weder er, noch Nalla, noch ein normales Leben, zu dem sie zurückkehren könnte. Es stand in seiner Macht, das zu verhindern. Sie würde nur ihn verlieren. Nicht Nalla und auch nicht das Leben, das sie bisher geführt hatte. Sie hätte noch eine Chance, irgendwann glücklich zu werden. Wenn er dafür auf einige kostbare Wochen mit ihr verzichten und seine Seele in Stücke reißen musste, dann würde er das tun. Er würde alles tun, um ihr zusätzlichen Schmerz zu ersparen.
Sie würde wütend auf ihn sein, das wusste er. Aber vielleicht half ihr ja genau diese Wut, um über ihren Schmerz hinwegzukommen.
Er wusste nicht, wie lange er an ihrem Bett gesessen, ihren Anblick in sich eingesogen und hingerissen den vagen Emotionen ihrer Träume gelauscht hatte, aber irgendwann hörte er die Eingangstür.
Leise stand er auf und schlich nach unten, obwohl er wusste, dass weder Valerie noch Nalla von möglichen Geräuschen aufwachen würden. Unten traf er auf Valeries Eltern, die ihn überrascht anblickten.
"Wo sind denn Val und Nalla?" fragte ihr Vater.
"Sie schlafen oben", erwiderte John mit einem Schulterzucken.
"Fehlt ihnen etwas?" erkundigte sich die Mutter besorgt.
"Nein, nein. Alles in Ordnung", versicherte John schnell. "Sie sind nur ein wenig müde von der ganzen frischen Luft der letzten Tage."
Der Vater lachte amüsiert auf.
"Ich gehe dann wieder rauf", sagte John.
"Willst du denn nicht mit uns essen?"
"Danke, aber ich habe keinen Hunger", winkte er ab. "Wenn was ist, ich bin oben."
"In Ordnung." Besorgt schauten die Eltern ihm hinterher.
Kurze Zeit später kam Valeries Mutter vorsichtig in das Zimmer hinein. "Ist wirklich alles in Ordnung?" fragte sie und warf einen beunruhigten Blick auf Valerie.
"Aber ja, sie schläft bloß", erwiderte John und hoffte, dass sie es dabei bewenden ließ. Wenn sie versuchen sollte, Valerie zu wecken, würde ihr auffallen, dass sie nicht nur einfach schlief. "Die Ruhe tut ihr gut", fügte er hinzu. "Sie arbeitet immer zu viel."
"Das stimmt." Valeries Mutter kam noch ein wenig näher und sah sie prüfend an.
Valerie atmete ganz ruhig und ihr Gesicht wirkte entspannt.
"Dann lasse ich sie lieber mal schlafen. Bist du sicher, dass du nichts essen willst?"
"Ja, ganz sicher, danke."
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