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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht
Autoren: D Harkness
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die Hand nach der Göttin aus. Matthew legte sie in meine Handfläche.
    »Was noch?«
    »Wein natürlich  – Rotwein.« Matthew gab mir das Buch, schloss mich in die Arme und drückte einen festen Kuss auf meine Stirn.
    »Wo sind deine Zimmer?« Ich schloss die Augen und rief mir die Old Lodge ins Gedächtnis.
    »Oben, auf der Westseite des Hofes, mit Blick auf den Hirschgarten.«

    »Und wie wird es dort riechen?«
    »Wie zu Hause«, antwortete er. »Nach Holzrauch und dem gebratenen Fleisch, das die Dienstboten gegessen haben, nach dem Bienenwachs der Kerzen und dem Lavendel, das die Laken frisch halten soll.«
    »Kann man etwas Bestimmtes hören?«
    »Gar nichts. Nur die Glocken von St. Mary und St. Michael, das Knistern des Feuers und das Schnarchen der Hunde im Treppenhaus.«
    »Wie fühlst du dich, wenn du dort bist?« Ich konzentrierte mich auf seine Worte und auf das, was sie in mir auslösten.
    »In der Old Lodge habe ich mich immer… ganz normal gefühlt«, sagte Matthew leise. »Dort kann ich ganz ich selbst sein.«
    Ein Hauch von Lavendel durchzog die Luft, der nicht in eine herbstliche Hopfenscheune in Madison passte. Staunend atmete ich den Duft ein und dachte an die Nachricht, die mir mein Vater hinterlassen hatte. Inzwischen sah ich die Möglichkeiten der Magie mit offenen Augen.
    »Was tun wir morgen?«
    »Da gehen wir im Park spazieren.« Inzwischen murmelte er nur noch, doch seine Arme lagen wie ein stählernes Band um meine Rippen. »Wenn das Wetter schön ist, gehen wir reiten. Zu dieser Jahreszeit gibt es in den Gärten nicht viel zu sehen. Irgendwo muss es auch eine Laute geben. Wenn du möchtest, bringe ich dir das Spielen bei.«
    Ein weiterer Duft  – würzig und süß  – mischte sich unter den Lavendel, und gleich darauf sah ich einen mit schweren, goldenen Früchten beladenen Baum. Eine Hand reckte sich nach oben, und ein Diamant blinkte in der Sonne, doch die Frucht hing zu hoch. Frustriert spürte ich, wie ein scharfes Verlangen von mir Besitz ergriff, und musste an Emilys Worte denken, dass die Magie eine Sache nicht nur des Geistes, sondern auch des Herzens ist.
    »Gibt es im Garten Quitten?«
    »Ja«, flüsterte Matthew in mein Haar. »Und sie müssten gerade reif sein.«
    Der Baum löste sich auf, doch der honigschwere Duft blieb. Jetzt sah ich eine flache Silberplatte auf einem langen Holztisch stehen. Kerzen und Kaminflammen spiegelten sich in der polierten Oberfläche.
Auf der Platte lagen aufgestapelt jene Quitten, von denen der Duft aufstieg. Meine Finger umklammerten den Einband des Buches, das ich in der Gegenwart hielt, aber in meinem Geist schlossen sie sich um eine Frucht aus der Vergangenheit.
    »Ich kann die Quitten riechen.« Schon jetzt lockte mich unser neues Leben in der Old Lodge. »Vergiss nicht, lass mich nicht los  – was auch passiert.« Nachdem die Vergangenheit mich schon fast umschlossen hatte, fürchtete ich nur noch, ihn unterwegs zu verlieren.
    »Bestimmt nicht«, versprach er fest.
    »Und du musst den Fuß heben und wieder absetzen, sobald ich es sage.«
    Er lachte leise. »Ich liebe dich, ma lionne .« Es war eine ungewöhnliche Antwort, aber sie genügte mir.
    Nach Hause , dachte ich.
    Mein Herz schmerzte vor Sehnsucht.
    Eine fremde Glocke schlug zur vollen Stunde.
    Ich spürte warmen Feuerschein auf meiner Haut.
    Die Luft füllte sich mit dem Duft von Lavendel, Bienenwachs und reifen Quitten.
    »Es ist soweit.« Gemeinsam hoben wir die Füße und traten ein ins Ungewisse.

43
    D as Haus war unnatürlich still.
    Auf Sarah wirkte es nicht nur so leer, weil nirgendwo Geplauder zu hören war und die sieben hellwachen Köpfe fehlten, die es bis dahin mit Leben erfüllt hatten.
    Sondern weil die Ungewissheit sie quälte.
    Sie waren unter dem Vorwand, für die Reise mit Faye und Janet packen zu müssen, früher als üblich vom jährlichen Hexensabbat heimgekommen. Em hatte die leere Aktentasche neben der Couch im Familienzimmer stehen sehen, und Sarah hatte das Hexenkostüm auf dem Deckel der Waschmaschine entdeckt.
    »Sie sind weg«, hatte Em gesagt, und Sarah hatte sich mit bebenden Schultern in ihre Arme geworfen. »Sind sie wohlauf?«, hatte sie geflüstert.
    »Sie sind zusammen«, hatte Em erwidert. Es war nicht die Antwort, die sich Sarah gewünscht hatte, aber sie war ehrlich, so wie Em.
    Zerstreut hatten sie ihre Sachen in die Reisetaschen gestopft. Jetzt saßen Tabitha und Em schon im Wohnmobil, während Faye und Janet geduldig darauf
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