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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht
Autoren: D Harkness
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Wirbel und nicht immer den besten Eindruck. Als Sophie die Schachfigur aus der Tasche zog, die
ich damals an ihn verloren hatte, war mir klar, dass England unser Ziel sein würde.«
    Meine Fingerspitzen spürten allerdings mehr als nur freundschaftliche Gefühle in der Widmung. Dies war die Widmung eines Liebenden.
    »Warst du auch in ihn verliebt?«, fragte ich ruhig.
    »Nein«, antwortete Matthew knapp. »Ich liebte Kit durchaus, aber nicht so, wie du meinst und wie er es sich gewünscht hätte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre manches anders gelaufen. Aber es ging nicht nach ihm, und wir blieben immer nur Freunde.«
    »Wusste er, was du bist?« Ich drückte das Buch an meine Brust wie einen Schatz.
    »Ja. Wir konnten es uns nicht leisten, Geheimnisse zu haben. Außerdem war er ein Dämon, und zwar ein außerordentlich scharfsinniger. Du wirst bald feststellen, dass man vor Kit nichts geheim halten kann.«
    Dass Christopher Marlowe ein Dämon war, lag nahe, dem wenigen nach zu urteilen, das ich über ihn wusste.
    »Wir reisen also nach England«, sagte ich langsam. »Und in welches Jahr?«
    »Ins Jahr 1590.«
    »Und wohin?«
    »Jedes Jahr versammelten sich während der katholischen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen ein paar von uns in der Old Lodge. Nur die wenigsten hatten damals den Mut, diese Feiertage zu begehen, aber Kit kam sich tollkühn und gefährlich vor, wenn er sie trotzdem in Ehren hielt. Er las uns jedes Mal aus seiner neuesten Faustus -Version vor. Dabei tranken wir, spielten Schach und blieben bis zum Morgengrauen wach.« Matthew nahm mir die Handschrift ab. Er legte sie auf den Tisch und nahm meine Hände. »Ist dir das recht, mon cœur ? Wir müssen nicht dorthin. Wir können uns auch ein anderes Zeitalter aussuchen.«
    Aber es war schon zu spät. Vor der Historikerin in mir hatte sich ein ganzes Panorama an Möglichkeiten ausgebreitet, die mir das elisabethanische England bieten würde.

    »1590 gab es in England Alchemisten.«
    »Ja«, widerwillig nickte er. »Allerdings wollte man mit keinem von denen gern zu tun haben, vor allem wegen der Quecksilbervergiftungen und den unkonventionellen Arbeitszeiten. Vor allem aber, Diana, gab es damals Hexen  – mächtige Hexen, die deine Magie leiten können.«
    »Darf ich auch ins Theater?«
    »Könnte ich dich daran hindern?« Matthew zog die Brauen hoch.
    »Wahrscheinlich nicht.« Meine Fantasie bekam bei den Aussichten, die sich mir eröffneten, Flügel. »Können wir durch die Royal Exchange gehen? Nachdem sie die Lampen angezündet haben?«
    »Natürlich.« Er zog mich in seine Arme. »Und in die St. Paul’s Cathedral, um eine Predigt zu hören, und zu einer Hinrichtung nach Tyburn. Wir können sogar mit dem Wärter am Bedlam über die Insassen plaudern.« Er bebte, so musste er sich das Lachen verkneifen. »Mein Gott, Diana. Ich nehme dich mit in eine Zeit, in der die Pest wütete, in der es praktisch keine Annehmlichkeiten, keinen Tee und nur miserable Zahnärzte gab, und du stellst dir nur vor, wie Greshams Börsenbau bei Nacht aussehen wird.«
    Ich löste mich aus seinen Armen und sah ihn mit großen Augen an. »Werde ich auch die Königin treffen?«
    »Auf gar keinen Fall.« Matthew drückte mich schaudernd an seine Brust. »Mir bleibt das Herz stehen, wenn ich mir nur vorstelle, was du zu Elizabeth Tudor sagen könntest  – und sie zu dir.«
    »Feigling«, sagte ich zum zweiten Mal an diesem Abend.
    »Du würdest das nicht sagen, wenn du sie besser kennen würdest. Sie frisst ihre Höflinge zum Frühstück.« Matthew schwieg einen Moment. »Außerdem können wir 1590 noch etwas ganz anderes tun.«
    »Und zwar?«
    »Irgendwo im Jahr 1590 muss ein Manuskript zu finden sein, das eines Tages Elias Ashmole gehören wird. Wir könnten danach suchen.«
    »Vielleicht ist das Manuskript zu diesem Zeitpunkt noch vollständig.« Ich löste mich aus seinen Armen, ließ mich in die Polster sinken
und staunte die drei Objekte auf dem Couchtisch an. »Wir reisen wirklich in die Vergangenheit.«
    »Allerdings. Sarah hat mich ermahnt, dass wir darauf achten sollen, nichts Modernes in die Vergangenheit mitzunehmen. Marthe hat dir einen Kittel und mir ein Hemd genäht.« Matthew griff in die Aktentasche und zog zwei schlichte Leinengewänder mit langen Ärmeln und Kordeln am Kragen heraus. »Sie musste sie mit der Hand nähen, und sie hatte nicht viel Zeit. Sie sehen nicht besonders toll aus, aber immerhin jagen wir damit den Menschen so keinen
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