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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht
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müssen.« Ich konnte mir vorstellen, wie sie später ihr Adressbuch durchblätterte.
    Bald darauf, als die meisten Gäste aufbrachen, signalisierte Rad, dass er gehen wollte.
    »Bleib sitzen«, sagte er eindringlich und ließ eine Hand auf Lexis Schulter, als er ihr einen Abschiedskuss gab.
    »Ruf mich nächste Woche an, Abigail, dann verabreden wir, wann du vorbeikommst«, sagte Lexi aus dem Liegestuhl.
    Ich sagte, ich würde es mir notieren, gratulierte mir selbst dazu, ohne die Kleider entkommen zu sein, und wir winkten den restlichen Gästen zum Abschied zu.
    Die Haustür hatte sich gerade hinter uns geschlossen, als vom Bordstein unten ein lautes Hupen ertönte und ein Mann in einem schmutzigen weißen Kombi ungeduldig gestikulierte. Er schien durch ein riesiges, flaches Brett in seinen Bewegungen beschränkt zu sein, das so lang war wie das Auto und sich von der Heckscheibe bis zu seinem Nacken erstreckte, sodass er fast gegen das Lenkrad gedrückt wurde.
    »Ach verdammt!«, sagte Rad. »Wären wir doch nur zwei Minuten früher gegangen!«Er ging mit großen Schritten auf das Auto zu und öffnete die Beifahrertür.
    »Steh nicht rum, mach den Kofferraum auf«, befahl der Mann, riss den Schlüssel aus der Zündung und warf ihn Rad zu. Erst als ich seine Stimme hörte, erkannte ich Mr. Radley. Gemeinsam schafften Rad und ich es, das Paket aus dem Auto zu ziehen, das etwa einsachtzig mal einszwanzig war, in braunes Papier gewickelt, und sich als erstaunlich leicht erwies. Wir stellten es auf den Bordstein und lehnten es an den Kotflügel, während Mr. Radley zerknautscht und mitgenommen auf der Fahrerseite ausstieg. Er war dicker und kahler, und zum Ausgleich für das sich verringernde Haar auf dem Kopf hatte er sich einen ziemlich üppigen Bart wachsen lassen. »Ich bin den ganzen Weg von Highbury hergefahren«, klagte er und nahm mich immer noch nicht zur Kenntnis. »Wenn mir jemand hinten drauf gefahren wäre, wäre ich enthauptet worden.« Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an wie jemand, der eine Brille tragen musste, es aber nicht tut. »Es ist Blush. Einen Augenblick lang dachte ich, Rad hätte eine neue Freundin«, sagte er und führte mich mit ein paar knappen Worten wieder in die ihm eigene Taktlosigkeit ein. »Was hast du denn in all den Jahren getan? Verheiratet? Kinder?«
    »Nein, nichts dergleichen.«
    »Rad auch nicht. Vielleicht könntet ihr euch gegenseitig heiraten.« Er wandte sich an Rad. »Du könntest es viel schlechter treffen. Ernsthaft.«
    »Danke«, sagte Rad. »Ich werde es mir merken.«
    »Aber ich kann hier nicht rumstehen und plaudern«, sagte Mr. Radley, als wären wir diejenigen, die ihn aufgehalten hatten. »Sonst verpasse ich noch die Party.«
    »Die hast du schon verpasst«, sagte Rad. »Du bist drei Stunden zu spät.«
    »Ist deine Mutter wütend?«, fragte er.
    »Nein. Irgendwie haben es die anderen dreißig Gäste geschafft, alles zusammenzuhalten.«
    »Schon gut, schon gut, du brauchst nicht sarkastisch zu werden. Sie wird mir sowieso alles verzeihen, wenn sie mein Geschenk sieht. Ein so unglaublicher Glücksfall.«
    »Was ist es denn?«, fragte Rad und versuchte, durch einen Riss im braunen Papier zu spähen.
    »Ich habe immer bedauert, dass ich es verkauft habe, weil es schließlich eine Hommage war. An deine Mutter. Und ungefähr vor sechs Wochen habe ich mich in Camden in einem Trödelladen umgesehen - na ja, eigentlich ein Antiquitätenladen und da habe ich es wieder gefunden. Ich vermute, der Käufer ist gestorben, und die Entrümpelungsfirma hat alles mitgenommen. Hinten drauf war noch der Aufkleber - Zweiter Preis: Lazarus Ohene. Ich kann es kaum erwarten, ihr Gesicht zu sehen.«
    »Worüber lachst du?«, fragte Rad, als wir zurück in die Stadt fuhren.
    »Das ist ein Familiengeheimnis«, sagte ich. »Hör zu ...«

49
    Das war vor ein paar Monaten. Inzwischen bin ich glücklich verheiratet und allein. Rad ist in den Senegal gegangen, den ich mir auf der Times-Weltkarte an meiner Küchenwand ansehe, mir aber nicht vorstellen kann. Er schreibt oft - unerwartet lustige, romantische Briefe ohne jede Spur National Geographie. Manchmal ruft er an, aber normalerweise ist die Verbindung schlecht, wir müssen schreien, und Koseworte verlieren an Zauber, wenn sie gebrüllt werden. Er scheint mir dann weiter weg zu sein statt näher, deshalb sind mir die Briefe lieber. Die Restaurierungsarbeiten an der Wentworth sind fast abgeschlossen. Sonntags fahre ich manchmal hin
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