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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht
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Ich wäre letztendlich vorbeigekommen und hätte mich entschuldigt, das weiß ich. Das wollte ich immer. Aber dann, nach Birdies Tod, schien es inakzeptabel - na ja, falsch auch nur über mein eigenes Glück nachzudenken. Ich dachte, ich kann das nicht als Entschuldigung verwenden, um wieder mit dir zusammenzukommen. Es wäre obszön gewesen, auf irgendeine Art von ihrem Tod zu profitieren. Stattdessen habe ich mich fürs Unglücklichsein entschieden.«
    Als ich aufwachte und seine Silhouette vor den Vorhängen sah, hatte ich dieselbe schlimme Vorahnung, wie man sie hat, wenn mitten in der Nacht das Telefon klingelt: Das Blut toste in meinen Ohren, mein Puls raste. Ich kenne dich nicht , dachte ich.
    »Geht es dir gut?«, flüsterte ich. Mir kam der Gedanke, dass er vielleicht schlafwandelte.
    Er fuhr zusammen und dann sackten seine Schultern ein wenig zusammen. »Ja. Danke.« Er kam zurück ans Bett und setzte sich. Er sah mir nicht ins Gesicht. »Oh Gott, hör zu.« Er riskierte einen Blick auf mich. »Ich war nicht ganz ehrlich zu dir.« Bei diesen Worten fiel die Temperatur im Raum auf Null. Meine Mutter hatte die ganze Zeit Recht gehabt.
    »Du bist HIV-infiziert«, sagte ich und zog die Laken um mich herum.
    »Nein, nein, so was ist es nicht. Wie kommst du denn auf die Idee?«
    »Was dann?«
    »Ich ... Ich gehe zurück in den Senegal.«
    »Wann?«
    »Im Juli. Noch früher, wenn ich fit genug bin.«
    »Für immer?«
    »Nein, nein. Nur ein Jahr. Höchstens achtzehn Monate. Ich muss ein neues Wasserhilfsprojekt auf den Weg bringen. Dann gehe ich wieder weg.«
    »Seit wann weißt du das schon?«
    »Ein paar Wochen nach dem Unfall hat mich einer der Direktoren im Krankenhaus besucht und mich praktisch angefleht. Deshalb sind sie auch bei meinem Genesungsurlaub so entgegenkommend. Ich habe an dem Tag, als ich entlassen wurde, zugesagt.«
    »Du hättest es mir sagen können.«
    »Ich weiß. Das hätte ich, habe es aber aus Egoismus nicht getan. Ich würde dich ja bitten, mit mir zu kommen, aber ich weiß, du hast deine eigene Karriere ...«
    »Du könntest trotzdem fragen.«
    »Kommst du mit?«
    »Ich kann nicht. Ich habe meine eigene Karriere. Und meine Eltern. Und eine Katze.«
    Er lächelte mich schief an. »Siehst du.«
    »Können sie nicht einen anderen schicken?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin schon der andere. Der Erste, den sie hingeschickt haben, ist durchgedreht. Versuch nicht, es mir auszureden. Ich fahre auf alle Fälle.«
    Ich nickte langsam und versuchte herauszufinden, wie sich achtzehn Monate anfühlen würden. Was hatte ich vor achtzehn Monaten getan? »Warum hast du denn das Hausboot gekauft, wenn du wusstest, dass du wieder weggehen würdest?«
    »Ich muss doch irgendwo wohnen können, wenn ich zurückkomme. Und ich wollte mir selbst beweisen, dass ich zurückkomme.«
    »Musstest du mir das ausgerechnet mitten in der Nacht erzählen? Jetzt kann ich nicht mehr schlafen.«
    »Tut mir Leid, ich habe schon seit Tagen auf den richtigen Moment gewartet. Ich habe gewartet, bis du in wirklich guter Stimmung warst, aber dann habe ich den Mut verloren, weil ich sie dir nicht verderben wollte. Und jetzt läuft mir die Zeit davon, weil auf Mums Party morgen bestimmt jemand davon anfängt.«
    »Und du wolltest nicht, dass ich dir vor den Gästen eine Szene mache?«
    »Du bist nicht der Typ, der eine Szene macht.«
    »Du hast Recht. Ich habe nicht die Energie dazu«, sagte ich und legte mich mit den Armen über dem Gesicht zurück ins Kissen.
    »Wenn es dir ein Trost ist: Ich hätte den Job nicht angenommen, wenn ich gewusst hätte, dass ich dich so wieder treffen würde.«
    »Aber du hattest mich doch schon einmal im Barbican getroffen.«
    »Du hast dich als verheiratete Frau getarnt. Das hat mir keinen großen Anlass für Optimismus gegeben.«
    »Wenn du dir die Mühe gemacht hättest, auch nur ein bisschen nachzuforschen ...«
    »Ach, verzeih mir, dass ich mich nicht mehr angestrengt habe. Außerdem«, fügte er hinzu, »erschien es mir völlig logisch, dass du verheiratet warst. Ich meine, wer sollte dich nicht heiraten wollen?«
    »Du zum Beispiel«, sagte ich, rollte mich auf den Bauch und tat so, als wollte ich schlafen.
    »Doch, das würde ich. Ich meine, ich will.«
    Ich lag sehr still mit dem Gesicht im Kissen und wartete auf die Pointe, den herausgezogenen Stecker.
    »Wir könnten heiraten, bevor ich gehe«, sagte er. »Wenn wir uns ranhalten.«
    Nicht im Entferntesten komisch, dachte ich. Unter
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