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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht
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»Erinner mich dran, dir unsere Telefonnummer zu geben.«
    »Unsere?«, sagte Lexi und zog die Augenbrauen hoch, bevor sie sich wieder an mich wandte. »Ich bin so froh, dass du wieder aufgetaucht bist«, sagte sie, als hätte ich die dazwischenliegenden Jahre hinten in einer Schublade verbracht, und dann nahm sie meine Hände und betrachtete mich von oben bis unten. »Ich habe ein paar Kleider, die dir perfekt passen würden. Mit einem Gürtel«, räumte sie ein. »Ich darf nicht vergessen, sie dir zu geben. Von meinen anderen Freundinnen ist keine dünn genug.« Mir gefiel das »anderen«. Ich lächelte: Mich mit Lexis Sachen zu verkleiden war ein wichtiger Initiationsritus gewesen, als ich elf war - für sie hatte sich nichts geändert. Eine Sekunde lang sahen Lexis Augen aus, als würden sie tränen. »Ich kann dich nicht ansehen, ohne an Frances zu denken«, sagte sie. »Du weißt doch, dass sie in Brisbane ist?«
    »Rad hat mir ihre Adresse gegeben: Wir haben uns geschrieben, und sie hat mir Fotos von sich und den Kindern geschickt.«
    »Sie hat mir zum Geburtstag ein Heimvideo von der Familie geschickt«, sagte sie. »Ich habe Lawrence gestern gezwungen, einen Videorekorder zu kaufen. Als ich um Mitternacht ins Bett gegangen bin, hat er immer noch versucht, das verdammte Ding zu installieren, deshalb weiß ich nicht, ob wir es je sehen werden.«
    »Ist sie gut im Kontakthalten?«
    »Nicht schlecht. Besser im Telefonieren als im Schreiben. Wir waren inzwischen zwei Mal bei ihnen zu Besuch. Wenn ich wirklich alt und klapprig bin, werde ich jedes Jahr hinfahren, um dem Winter zu entfliehen. Stell dir vor, wie es wäre, nie mehr einen englischen Februar ertragen zu müssen. Du weißt doch, dass Rad mich wieder verlässt?«
    »Ja. Aber nicht für immer.«
    »Tja, das hat er letztes Mal auch gesagt - und dann kommt er für sechs Monate zurück und verbringt die Hälfte in Gips. Was ist mit dir? Du willst doch nicht auch irgendwohin, oder? Nein, du würdest deine Eltern nicht verlassen.« Sie warf Rad, der gerade mit Onkel Bill sprach, durch den Garten einen vorwurfsvollen Blick zu.
    »Nein. Ich bleibe hier.«
    »Gut, dann musst du oft zu uns kommen. Spielst du Bridge?«
    Ich verneinte.
    »Lawrence wird es dir beibringen. Es wird dir gefallen.«
    Ich spürte bereits, wie sie sich wieder vollzog, meine Integration in die Familie. Innerhalb von Minuten würde Lexi mir Lawrences Cottage in Tarn anbieten, mich bei ihrem Fitness-Klub als Mitglied vorschlagen wollen und mich als Haussitter, Grannysitter und vierten Mann beim Bridge notieren, wenn ich nicht aufpasste. Sie war erstaunt und beeindruckt, als sie hörte, dass ich immer noch Cello spielte, und sogar in einem Orchester, das ihr ein Begriff war, das sie möglicherweise sogar schon gehört hatte, obwohl sie sich in dem Punkt nicht hundertprozentig sicher war. »Du musst mir Karten besorgen«, lautete ihr abschließender Befehl, als sie von Clarissa weggeholt wurde, um andere Gäste zu begrüßen.
    Ich fand Rad am Büffet, das von einer gestreiften Überdachung geschützt mitten im Garten stand. Ab und zu wackelte die ganze Konstruktion, wenn jemand fluchend über eines der Haltetaue stolperte.
    »Ich gehöre wieder zur Familie«, sagte ich, als er die oberste Frucht einer Erdbeerpyramide stibitzte. »Nach nur fünfzehn Minuten.«
    »Es ist gut, dass ich ins Ausland gehe«, antwortete er. »Mums Schwiegertochter zu sein wird all deine Zeit in Anspruch nehmen - da wäre ich bloß im Weg.«
    Ich protestierte. Ich hätte mir vorgestellt, zu heiraten, nicht kolonialisiert zu werden, aber Rad schnitt mir das Wort ab, indem er mir eine Erdbeere in den Mund steckte.
    »Lass das«, sagte ich und versuchte, sauer zu klingen. »Die Leute werden sich schon ihren Teil denken.«
    »Sollen sie doch.« Er nahm sich einen Haufen Baisergebäck und eine Faser geräucherten Lachs. »Komm, lass uns die Runde machen. Je schneller wir rum sind, desto eher können wir wieder gehen.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute bei Anlässen wie diesen einfach froh sind, einen Vertreter der nächsten Generation zu sehen, oder ob Rad so beliebt war, weil er Lexis Sohn oder schlicht er selbst war, aber in diesem Garten schien er ein beneidenswertes Maß an Berühmtheit erlangt zu haben. Selbst die Freunde von Lexi, die er nicht kannte, wussten alles über ihn. Nachdem ich Rad zugehört hatte, wie er ein halbes Dutzend Mal dieselben Fragen über den Senegal, seinen Motorradunfall und die fast
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