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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht
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seinem Niveau. Nach ein oder zwei Minuten tippte Rad mir auf die Schulter. »Bist du wach?«
    »Meinst du das ernst?«
    »Bist du interessiert?«
    »Du glaubst nicht an die Ehe.«
    »Okay, ich gebe zu, dass ich nie die Notwendigkeit dafür gesehen habe. Zusammenzuleben würde mir ausreichen. Aber wenn wir nicht zusammenleben können - wenigstens für eine Weile - verstehe ich, dass es vielleicht beruhigend ist, verheiratet zu sein.«
    »Die Leute werden uns für verrückt halten. Zu heiraten und dann in verschiedenen Ländern zu leben.«
    »Aber das ist in Ordnung, denn als du dreißig geworden bist, hast du aufgehört, dir Gedanken über die Meinung der Leute zu machen, weißt du noch? Und ich habe nie damit angefangen, also ...«
    »Das wird das Anstandsgefühl meiner Mutter verletzen.«
    »Darf ich das als Ja verstehen?«, fragte Rad.

48
    Wir werden heute nichts davon erwähnen, ja?«, sagte ich zu Rad, als wir vor Lawrences und Lexis Haus in Chiswick vorfuhren. »Es ist die Feier deiner Mum - wir dürfen ihr nicht die Schau stehlen.«
    Rad sah mich ein bisschen verlegen an. »Ich habe ihnen nicht mal gesagt, dass du kommst. In der Aufregung, fast im Feuer umgekommen zu sein, habe ich ganz vergessen, es zu erwähnen. Ich weiß nicht mal, ob sie wissen, dass ich jetzt bei dir wohne. Das wird eine schöne Überraschung«, sagte er und drückte trotz meiner entrüsteten Gesten mein Bein.
    Clarissa öffnete die Tür. Sie küsste Rad und musste zweimal hinsehen, bevor sie mich erkannte. »Abigail!« Sie umarmte mich - sie roch nach Parfüm - und zerdrückte dabei die Blumen, die ich für Lexi mitgebracht hatte.
    »Rad, du gerissener Hund. Wo hast du sie nach all der Zeit aufgetan?«
    »An meiner Angelrute«, sagte er und führte mich durch den Flur.
    »Sie sind alle draußen im Garten«, sagte Clarissa und warf unsere Jacken im Arbeitszimmer in einen Sessel.
    Ich ließ meinen Blumenstrauß auf den Küchentisch fallen, zu einem halben Dutzend anderer, noch im Papier und mit Karten versehen, wie Blumengrüße am Schauplatz einer Unfalls. Durch das offene Fenster konnte ich Lexi sehen, im weißen Hosenanzug, einen breiten roten Schal um ihr dunkles Haar geschlungen, wie sie Hof hielt. Ich war beunruhigt, wie wenige Gesichter ich wieder erkannte. Da war Cecile, die im Schatten auf einem Liegestuhl ruhte. Ihre Haare hatten noch denselben rotblonden Ton, mit dieser permanenten bleistiftbreiten grauen Linie am Scheitel; sie hatte sie zu einem Knoten gewunden und mit paillettenbesetzten Nadeln in Lippenform festgesteckt. Onkel Bill, der ehemalige Besitzer von Growth, pendelte zwischen den Grüppchen hin und her, in einer Hand eine Flasche Champagner, in der anderen einen Krug Orangensaft. Ich konnte weder Lawrence noch Mr. Radley irgendwo sehen. »Dein Dad ist nicht hier«, sagte ich zu Rad, als er mir ein Glas Wein reichte.
    »Er wird sich verspäten«, sagte Rad. »Wenn er es überhaupt schafft.«
    »Trinkt er noch?«, fragte ich. Ich heirate schließlich in diesen Genpool ein, dachte ich. Ich habe das Recht zu fragen.
    »Eigentlich ist es weitgehend so wie früher. Er hat monatelang keine Probleme, und dann geht er irgendwohin so wie hier - und trinkt so lange, bis er sich völlig zum Narren gemacht hat. Partys sind sein Untergang.«
    »Und Hochzeiten?«
    »Ich fürchte auch.«
    Bevor wir auch nur zwei Schritte in den Garten gegangen waren, wurde Rad schon belagert. Viele Leute hatten ihn wahrscheinlich noch nicht gesehen, seit er aus dem Senegal zurück war. Alle wussten von seinem Motorradunfall, aber seine Tortur durch Feuer und Wasser war ganz neu. Ich versuchte mich zurückzuziehen, aber Rad hielt mich bei der Hand.
    »Mum, ich habe jemanden für dich mitgebracht.«
    Lexi quietschte überrascht und reichte ihr Champagnerglas ihrem Nachbarn, um mich richtig umarmen zu können. »Du siehst wunderbar aus«, sagte sie und schob ihre Sonnenbrille hoch auf die Stirn. Sie hatte tiefe Falten um Augen und Mund, aber die Haut auf ihren Wangen war glatt. »Ach, Rad, du bist ja verrückt«, sagte sie, als sie das Geschenkpapier von unserem Geschenk zerrte - ein neuer Putter, den sie für den Rest des Nachmittags mit sich herumtragen sollte wie einen ausgefallenen Spazierstock. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst mir nichts kaufen.« Sie schlug versuchsweise nach einem Löwenzahn. »Aber er ist hübsch.« Ihr kam plötzlich ein Gedanke. »Dann ist Abigail also der ›Freund‹, bei dem du wohnen kannst?«
    »Stimmt«, sagte Rad.
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