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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer
Autoren: Manfred Megerle
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»Wie
     kommen Sie dazu …«.
    »Denken Sie nach: Die Polizei
     zeichnet eingehende Notrufe auf. Für die ist es ein Leichtes, den Halter eines
     Handys zu ermitteln. Wollen Sie auf diese Weise mit dem ominösen Tod einer
     Fünfzehnjährigen in Verbindung gebracht werden, noch dazu unter diesen … diesen
     nicht eben alltäglichen Umständen? In Ihrem eigenen Interesse rate ich Ihnen:
     Vergessen Sie, was eben passiert ist. Denken Sie sich eine Geschichte aus,
     erzählen Sie meinetwegen, Ihr Handy sei Ihnen gestohlen worden oder so …«
    Zähneknirschend gab der Weißhaarige
     nach. Die Argumente waren nicht von der Hand zu weisen. Dann ging er wortlos
     zur Tür. Leise verließen die drei Männer kurz nacheinander die Kajüte.
    Kaum war Medicus von Bord
     gegangen, eilten die beiden Männer erneut nach unten. Mochten sie bis dahin
     gehofft haben, das Bild auf ihrer Netzhaut würde lediglich einen Alptraum
     widerspiegeln, so erwies sich der Anblick des leblos daliegenden Mädchens als
     erschreckend eindringliche und äußerst beunruhigende Realität.
    »Damit können wir den Laden hier
     dichtmachen«, stöhnte der Bärtige und wies auf den Leichnam. »Es hilft nichts,
     wir müssen die Polizei rufen …«
    »Mehr fällt dir dazu nicht ein?«,
     widersprach der Blonde wütend. »Jetzt überleg doch mal: Die Polizei kann dem
     Mädchen auch nicht mehr helfen. Was passiert ist, ist passiert. Ich bin genauso
     erschüttert wie du, ganz ehrlich. Aber was soll sich ändern, wenn wir die
     Bullen holen, außer dass wir unseren Job los sind und für unbestimmte Zeit ins
     Kittchen wandern – ganz zu schweigen davon, dass unsere üppig sprudelnde
     Geldquelle von jetzt auf nachher versiegen wird? Von was willst du dann deine
     Schulden bezahlen, he? Nein, nein, die Bullen sind die schlechteste aller
     Lösungen, glaub mir. Dafür stecken wir schon viel zu tief in der Scheiße! Wir
     beide, wohlgemerkt! Wir können sowieso von Glück reden, wenn die nicht gleich
     hier antanzen, nachdem dieser Idiot den Notruf gewählt hat.«
    »Was soll das heißen, die Bullen
     sind keine Lösung – weißt du eine bessere?« Wenig überzeugt ließ sich der
     Bärtige auf den Stuhl fallen und vergrub den Kopf in beiden Händen.
    »Zunächst einmal müssen wir die
     Kleine entsorgen.«
    Wie von der Tarantel gestochen
     sprang der Bärtige hoch und machte Anstalten, seinem Partner an den Kragen zu
     gehen. »Entsorgen? Was heißt das? Willst du sie einfach ins Wasser oder gar auf
     den Müll werfen, gewissermaßen als Kollateralschaden? Meinst du das?«
    Der Blonde machte sich frei.
     »Beruhige dich und sei nicht so laut. Entsorgen heißt wegschaffen, nicht mehr
     und nicht weniger. Sie muss vom Schiff, und zwar so, dass keine Spur zu uns
     führt, wenn man sie findet. Geht das in deinen Schädel rein?«
    Fassungslos sah der Bärtige zu ihm
     auf. Dann schüttelte er voll Abscheu den Kopf. »Was bist du nur für ein
     zynischer Hund! Und mit so was hab ich mich eingelassen«, stieß er hervor und
     wandte sich ab.
    »Das hättest du dir früher
     überlegen müssen«, antwortete der Blonde, ohne mit der Wimper zu zucken.
     »Mitgefangen heißt mitgehangen – vergiss das nie!«

1
    Selten hatte ein Tag so beschissen begonnen,
mit penetrantem Regen aus tief hängenden Wolken. Zum Glück hatte SWR 4 baldige
Besserung in Aussicht gestellt, rechtzeitig zum bevorstehenden Wochenende.
    Wolf hatte sich von dem miesen Wetter an diesem Morgen
nicht beirren lassen; weder Dauerregen noch ein scharfer Gegenwind konnte ihm
seinen ›Frühsport‹ vermiesen. Noch bei Dunkelheit war er auf sein Stahlross
geklettert und hatte mit eingezogenem Kopf und hochgekrempelten Hosen die drei
Kilometer von seinem Wohnort Nußdorf nach Überlingen zurückgelegt. Beinahe
hätte ihm eine Bö sein Barett in den See geweht, was gleichbedeutend mit einer
Umkehr gewesen wäre. Ohne Kopfbedeckung hätten ihn keine zehn Pferde unter
Leute gebracht, so viel Eitelkeit gestattete er sich. Die kreisrunde Kahlstelle
auf seinem Kopf ging niemand etwas an. Längst hatte er es satt, den Leuten
wieder und wieder erklären zu müssen, dass sie das Werk eines wild gewordenen
Messerstechers war, der auf diese Weise versucht hatte, sich seiner Festnahme
zu entziehen.
    So war er um Punkt fünf klitschnass im ›Aquarium‹
eingetroffen, der modernen, rundum verglasten Polizeidirektion. Selbst der
Regenumhang hatte nicht verhindern können, dass die Nässe bis auf die
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