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Security

Security

Titel: Security
Autoren: Dean R. Koontz
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gepflastert und von einem Geländer umgeben. Dahinter lag eine schwarze Rasenfläche, und kaum wahrnehmbare Palmen und indische Lorbeerbäume standen reglos in der windstillen Nacht.
    Vom Fenster aus wirkte das Anwesen genauso friedlich und verlassen wie vor einigen Minuten, als sie es durch die Sicherheitskameras in Augenschein genommen hatte.
    Es war falscher Alarm gewesen. Oder vielleicht hatte sie das Geräusch auch nur in einem Traum gehört, an den sie sich jetzt nicht mehr erinnern konnte. Sie machte ein paar Schritte auf das Bett zu, aber dann wandte sie sich in Richtung Tür und verließ das Zimmer.
    Es passierte ihr oft, daß sie mitten in der Nacht aus halb vergessenen Träumen erwachte, mit verkrampften Bauchmuskeln und kaltem Schweiß auf der Haut – aber mit einem so ruhigen Herzschlag, als würde sie sich in tiefer Meditation befinden. Rastlos wie eine Katze im Käfig streifte sie dann manchmal bis zum Anbruch der Dämmerung umher.
    Jetzt erkundete sie barfuß und unbekleidet das Haus. Sie war wie Mondlicht in Bewegung, schlank und geschmeidig, die Göttin Diana, Jägerin und Beschützerin. Sie war der Inbegriff von Anmut.
    Susan.
    Wie sie in ihrem Tagebuch vermerkt hatte, dem sie jeden Abend einen Eintrag hinzufügte, empfand sie seit ihrer Scheidung von Alex Harris ein Gefühl der Freiheit. Zum ersten Mal in den vierunddreißig Jahren ihres Daseins glaubte sie, daß sie ihr Leben selbst in die Hand genommen hatte.
    Sie brauchte jetzt niemanden mehr. Endlich glaubte sie an sich.
    Nach so vielen Jahren voller Angst, Selbstzweifel und einem unstillbaren Verlangen nach Bestätigung hatte sie die schweren Ketten der Vergangenheit abgeworfen. Sie hatte sich einigen schrecklichen, zuvor halb verdrängten Erinnerungen gestellt, und durch diesen Akt der Konfrontation hatte sie Erlösung gefunden. Tief in ihrem Innern verspürte sie eine wunderbare Wildheit, die sie unbedingt ergründen wollte: der Geist des Kindes, das sie nie hatte sein dürfen, ein Geist, den sie seit fast drei Jahrzehnten unwiederbringlich zerstört geglaubt hatte. Ihre Nacktheit war unschuldig, das Verhalten eines Kindes, das sich aus reinem Spaß an der Sache über Regeln hinwegsetzte, ein Versuch, mit diesem tiefliegenden, primitiven, einst zerbrochenen Geist in Verbindung zu treten und mit ihm zu verschmelzen, um wieder ganz zu werden.
    Während sie das große Haus durchstreifte, wurden die einzelnen Räume jeweils auf ihre Anweisung erhellt, immer durch indirekte Beleuchtung, so daß es gerade hell genug für sie wurde, um das Zimmer zu durchqueren. In der Küche nahm sie ein Waffeleis aus der Gefriertruhe und aß es über das Spülbecken gebeugt, so daß sie Krümel oder Tropfen einfach würde wegspülen können, um keine belastenden Spuren zu hinterlassen. Sie benahm sich, als schliefen im Obergeschoß die Erwachsenen und sie hätte sich hier hinuntergeschlichen, um das Eis gegen ihre ausdrückliche Anweisung zu essen. Wie süß sie war. Wie mädchenhaft.
    Und sehr viel verletzlicher, als sie glaubte. Auf ihrem Weg durch das geräumige Haus kam sie an einigen Spiegeln vorbei. Manchmal drehte sie sich schüchtern weg, verlegen wegen ihrer Nacktheit. Dann blieb sie im sanft erhellten Foyer vor einem großen Spiegel stehen. Es war, als sei sie sich des kalten Marmors unter ihren nackten Füßen, der in einer kunstvollen Einlegearbeit zahlreiche achteckige Teile zu einem großen Viereck vereinte, gar nicht bewußt. Der Spiegel wurde von einer detailliert geformten, vergoldeten Laubverzierung umrahmt, und so wirkte ihr Abbild weniger wie ihr Gegenstück als vielmehr wie ein edles Porträt von der Hand eines alten Meisters.
    Während sie sich betrachtete, stieg in ihr die Frage auf, wie sie wohl dermaßen viel überstanden hatte, ohne sichtbare Narben zurückzubehalten. Lange Zeit hatte sie geglaubt, daß jeder, der sie anschaute, die Wunden bemerken würde, den schleichenden Zerfall, den Anflug von Scham auf ihrem Gesicht, den Ausdruck der Schuld in ihren blaugrauen Augen. Doch sie sah unversehrt aus. Im Verlauf des letzten Jahres hatte sie begriffen, daß sie keine Schuld traf – sie war das Opfer, nicht der Täter. Sie brauchte sich nicht länger für etwas zu hassen, das sie nicht getan hatte.
    Erfüllt von stiller Freude wandte sie sich von dem Spiegel ab, ging die Treppe empor und kehrte in ihr Schlafzimmer zurück.
    Die stählernen Sicherheitsjalousien waren geschlossen, die Fenster somit abgeriegelt. Sie hatte die Rolläden aber
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