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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Autoren: Birgit Hasselbusch
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wusste, dass du den auswählst. Für deinen neuen Freund solltest du aber den mit Chili nehmen. Das wirkt stimulierend, weißt du.«
    »Hör bloß auf«, sagte ich und lief rot an. »Lass mich mit deinen Experimenten in Ruhe. Das mit dem Ingwer hat beim Letzten auch nicht geklappt. Du weißt, wie das ausgegangen ist.«
    Carl benutzte meine Freunde seit Jahren als Versuchskaninchen für seine Aphrodisiaka-Expertisen. Offenbar hoffte er darauf, den Natur-Nobelpreis für potenzfördernde Gewürze zu gewinnen, so eine Art natürliches Gegenstück zu Viagra. Er war nach über zwanzig Jahren immer noch in der Phase der Grundlagenforschung und kam nicht recht voran. Mein Exfreund Andreas war gegen das »Ingwer mit noch irgendwas«-Gemisch allergisch gewesen, und die Nacht endete statt im Bett in der Notaufnahme. Auch unsere Beziehung war schnell beendet, als er erfuhr, dass er als Versuchsobjekt hergehalten hatte. Egal, Andreas konnte im Nachhinein eh hingehen, wo der Pfeffer wächst.
    »Der Orangenkakao ist ganz neu und ganz harmlos«, erklärte Carl, als ich ihm die braun-orangefarbene Dose reichte.
    Er öffnete sie und häufte zweieinhalb Löffel des Pulvers in jeden Becher, darüber goss er die heiße Milch. Ein Rest Milch blieb wie gewohnt im Topf. Ich griff blind in die Schublade neben dem Herd und holte einen elektrischen Milchaufschäumer hervor, das modernste Gerät im ganzen Laden und auch eines, für das der Erfinder – meiner Meinung nach – den Nobelpreis verdient hätte. Zwei Klackse dicken, festen Schaums landeten auf jedem Kakao.
    »Was wollte die Resche denn genau?«, fragte Carl, als wir es uns in der Ecke schräg hinter dem Verkaufstresen gemütlich gemacht hatten. Er saß in einem zerschlissenen grauen Sessel, ich hockte mich wie eh und je auf eine umgedrehte Orangenkiste.
    »Na ja, meckern, wie immer. Sie findet, es zieht und dass du neue Fenster einsetzen lassen musst. In jeder Wohnung und im Hausflur. Und am besten auch noch im Keller.«
    Carl pustete langsam in seinen Kakao. Er genoss es, seine Hände an der heißen Tasse zu wärmen. Dabei könne er so gut nachdenken,behauptete er. Und das konnte mitunter etwas länger dauern. Manchmal nickte er auch ein, und ich musste die Kunden bedienen. Carl hatte mich von klein auf in die Geheimnisse seiner Waren eingeweiht, und ich liebte es, in seinem Laden zu stehen, die Dosen und Gläser zu sortieren und die Leute zu beraten.
    Als Kind fand ich besonders lustig, dass die Branche, die mit Kräutern und Gewürzen handelte, sich Drogenbranche nannte. Um meine Lehrer zu schockieren, hatte ich in der Schule gerne erzählt, mein Vater sei Drogenhändler. Was doppelt gelogen war. Keine Drogen. Kein Vater.
    »Wir haben Mai. Da wird sie doch kaum frieren, die Resche!«, empörte sich Carl, der das ganze Jahr über mit einem Schal herumlief. Was selbstredend in überhaupt keinem Zusammenhang mit den zugigen alten Fenstern stand.
    »Na ja«, wagte ich mich weiter vor. »Sie findet auch, dass die Wände mal wieder gestrichen werden könnten.«
    »Also wirklich!« Carls sonst so sanfte Stimme wurde laut. »Die habe ich doch gerade erst streichen lassen!«
    »Das stimmt«, gab ich ihm recht. »Wenn man findet, dass die erste Mondlandung auch gerade erst stattgefunden hat.«
    Carl prustete los und hätte sich beinahe an seinem Kakao verschluckt.
    »Du kleines Biest!«, sagte er kopfschüttelnd und grinste mich an. »Das Problem ist, Jule, dass ich nicht genügend Geld für die Renovierungen habe.«
    »Läuft der Laden wirklich so schlecht?«
    »Viel geht über den Versand. Außerdem habe ich meine Stammkunden. Das weißt du ja.«
    »Mich! Und mir schenkst du auch noch diesen wahnsinnig teuren Kakao.« Ich drehte die Dose um und entdeckte auf dem Boden ein handgeschriebenes, krakeliges Preisschild, auf dem ich »Euro 7,99« entzifferte.
    »Ich bezahl dir den Kakao!«
    »Quatsch. Du hast doch selber kein Geld. Neulich war wieder ein Investor da, der wollte mir gleich das ganze Haus abkaufen. Für eine irre Summe.«
    »Und? Willst du das machen?« Ich versuchte ruhig zu bleiben, aber die Vorstellung, dass Carl nicht mehr mein Vermieter wäre, war grausam. Für mich als Mensch und für mich als zahlende Mieterin. Die würden alles picobello neu machen und die Mieten vermutlich um zweihundert Prozent anheben. Dann könnte ich mir eine neue Bleibe suchen.
    »Wo soll ich denn hin?«, fragte Carl. »Selbst mit so viel Geld. Mein Leben ist der Laden hier. Den würden sie doch
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