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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Autoren: Birgit Hasselbusch
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stierten.
    »Dann füttern Sie mich mal an«, bat ich Dotz. »Um welches Thema geht es denn genau?«
    »Lotto! Jackpot. Ich will Geld, Luxus, Sportwagen, Weiber mit Schmuck, versoffene Typen, die Millionen verspielt haben, vom Jackpot zur Gosse, so in etwa. Klar?«
    Nö. Gar nichts war klar. Wenn Dotz das Anglervokabular ausging, sprach er gerne in Schlagwörtern, die viel Interpretationsspielraum ließen.
    »Sie wollen, dass ich eine Reportage über Lottomillionäre mache?«, fragte ich nach. Jeder bei der Elbe-Welle kannte und hasste diese Momente, wenn man bei Dotz im verquarzten Zimmer im Trüben fischte und versuchte, das Thema zu konkretisieren. Besser sich eine Rüge einholen und kurz nachfragen, bevor man etliche zeitintensive Interviews führte und sich am Ende herausstellte, dass Dotz etwas ganz anderes wollte, beispielsweise bloß einen Tipp, welche Lottozahlen er selbst ankreuzen sollte.
    »Nicht eine Reportage. Viele. Über Hamburgs Lottomillionäre. Irre Geschichten. Finden Sie die. Schnell. Legen Sie los, Claussen.«
    Dotz schnappte sich eine Zeitschrift und drehte sich mit dem Bürosessel zum Computer. Ich war entlassen, hatte aber noch eine Frage, die ich vorsichtig nachlegte.
    »Wieso das Ganze denn eigentlich?«
    Dotz starrte mich entgeistert an. »Hab ich doch gesagt. Es gibt einen neuen Lottogewinner, der den Jackpot von 5,3 Millionen geknackt hat, der hat sich aber noch nicht gemeldet, oderer will anonym bleiben. Den sollen Sie natürlich auch finden. Klar?«
    Ach so. Hätte er ja auch gleich sagen können. Die wichtigsten Informationen enthielt er einem oft vor, weil doch eh allen immer alles klar sein musste. Dotz hatte eine Kollegin von mir einmal durch halb Hamburg gejagt auf der Suche nach, so der Auftrag, »Kindern, die zweisprachig aufgewachsen sind«. Als sie später stolz die Interviews mit verschiedenen Kindern präsentierte, die nicht nur Deutsch, sondern auch noch Italienisch, Russisch, Türkisch, Afrikaans und Suaheli sprachen, winkte Dotz bloß entnervt ab. »Brauch ich alles nicht. Wo sind die chinesischen Kinder?«, wollte er wissen.
    »Welche Chinesen?«, fragte die Kollegin entsetzt.
    »Na, Sie sind lustig. Es geht doch um die fünfundzwanzigjährige Städtepartnerschaft Hamburg-Shanghai. Was soll ich da mit Suaheli?«
    Wie gesagt, Dotz’ Anweisungen kamen uns manchmal sehr spanisch vor.
    Nun also die Sache mit dem Lottogewinner. Wenn mich nicht alles täuschte, war es noch schwieriger, an die Daten von Lottomillionären zu kommen, als den Jackpot zu knacken. Selbst wenn der oder die Glückliche sich inzwischen gemeldet hätte, würden die Leute bei der Lottozentrale mich vermutlich auslachen, wenn ich versuchen würde, ihnen klarzumachen, dass mein Chef den Jackpotknacker möglichst gestern schon im Studio haben wollte.
    Da ich aber den Auftrag in der Tasche hatte, konnte ich erst mal durchatmen. Manchmal passierte es nämlich, dass Dotz eben noch einen Interviewgast stante pede im Studio sehen wollte und ihn im nächsten Augenblick, wenn dieser dann mit fliegenden Rockschößen atemlos erschien, schon längst wieder abgeschrieben hatte, weil etwas anderes dazwischengekommen war. Irgendein Börsencrash, ein Amoklauf oder ein Angelwettbewerb.
    Ich setzte mich in die hinterste Ecke der Redaktion an einen freien Computer und loggte mich ein. Kurz darauf gab ich bei Google die Worte »Lotto« und »Millionär« ein. Ich fand heraus, dass es einen Politiker in Norddeutschland gab, der immer erst nach der Ziehung seinen Lottoschein bezahlen wollte, weil er ja vorher keine Gewissheit hatte, dass sich die Investition auch lohnen würde. Der Mann würde gewiss mal Finanzminister werden und unsere Steuergelder sinnlos verprassen. Der bekannteste Hamburger Lottogewinner war laut Internetrecherche der Gabelstaplermonteur Karl König, der 1995 zweiundvierzig Millionen Mark gewann und eine Band gründete.
    »Sag mal, Melanie, dass Lotto King Karl wirklich im Lotto gewonnen hat, stimmt das?«, rief ich rüber zum anderen Schreibtisch.
    »Nee, das war doch nur ein PR-Gag, oder?«
    Unser Musikchef mischte sich ein. »Das hat der gemacht, um danach den Titel ›Ich hab den Jackpot‹ groß rauszubringen.«
    Vielleicht könnte ich Lotto King Karl trotzdem zu einem Interview überreden. Ich würde unseren Sportreporter fragen, ob er mich mal mit zum HSV nehmen könnte, da war Lotto King Karl schließlich Stadionsprecher. Außerdem fand ich es lustig, dass er genauso hieß wie mein
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