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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Autoren: Birgit Hasselbusch
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Krankenhaus geschleppt. Das Geld konnte ich viel zu gut gebrauchen. Die nächsten Stiefel würden nicht lange auf sich warten lassen. Und wenn es darum ging, der Hansen eins auszuwischen, wären wir Reporter selbst noch aus dem Sterbebett gesprungen. Die Hansen hatte einen so stinkreichen Mann, dass er ihr jeden Tag der Woche eine Wellnessbehandlung hätte finanzieren können. Montags Ayurveda in Indien, dienstags Thalasso in Biarritz, mittwochs Reiki in Japan …
    Warum so jemand uns die raren Aufträge wegschnappte? Weil die Hansen nicht wollte, dass ihr geistiges Potenzial einrostete, und weil ihr Mann somit mehr freie Zeit hatte, sich dem körperlichen Potenzial seiner Assistentin zu widmen.
    »Ich komme so schnell wie möglich vorbei«, rief ich enthusiastisch. »Ich mach das.«
    »Okay, aber fahren Sie nicht mit dem Auto. Das ist nach einer Narkose nicht erlaubt.«
    Gerührt ob der Besorgnis meines Chefs, schwor ich mir, ihn nur noch ganz selten Motz zu nennen.
    »Sonst bauen Sie einen Unfall, und ich muss der Hansen alles noch mal erklären. Doppelte Arbeit, dafür habe ich keine Zeit«, fügte er barsch an.
    Ich würde ihn wirklich so schnell nicht mehr Motz nennen, nur noch Kotz!
    Nachdem ich den Aus-Knopf auf meinem Handy gedrückt hatte, ließ ich mich auf den Stuhl am Küchentisch plumpsen. Ich hatte nicht einmal gefragt, worum es bei dem Auftrag ging. Die Radiobeiträge im Programm wurden immer weniger. Die Moderatoren machten immer mehr Live-Interviews, die Beitragsplätze schmolzen zusammen, genau wie die Kontostände der Reporter. Da galt es jede Gelegenheit mitzunehmen. Ich wollte mir endlich einen Namen machen.
    Ein Stündchen würde ich schon noch totschlagen müssen, bevor ich zum Sender aufbrach. Alles davor würde mir der Chef nach der schlimmen Zahn-OP nie abnehmen.
    Gedankenverloren griff ich wieder in die Brötchentüte. Das für Ulf beschmierte ich besonders dick mit Butter und Nutella und aß es genüsslich auf.
    Ja, ich hatte gelogen, als ich behauptete, es treffe mich mehr, dass die Stiefel weg waren, als dass Ulf einfach so gegangen war. Wahrscheinlich würde er sich wieder mal fünf Tage nicht melden. Und ich würde in der Zeit auf dem Sofa ausharren, zu vieleschlechte Serien im Fernsehen anschauen und bei jedem Vorspann eine neue Tüte Chips aufreißen. Damit musste Schluss sein. Nach diesem Entschluss stopfte ich auch noch das Croissant in mich hinein, kaute alles bis auf den letzten Krümel. So lange, bis keine Spuren meines nächtlichen Gastes mehr zu sehen waren. Beinahe hätte ich auch noch den »Musste los«-Zettel aufgefuttert.

Glück besteht aus einem hübschen Bankkonto,
einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung.
    Jean-Jacques Rousseau
    Dotz machte dicke Backen. »Man sieht ja überhaupt nichts. Als wären Sie niemals operiert worden.« Was ja vom Ansatz her auch nicht so ganz falsch war, dachte ich, als ich ins Büro meines Chefs trat. Er lehnte sich über einen Papierstapel auf seinem überfüllten Schreibtisch und winkte mich zu sich heran.
    »Das war bestimmt ein Pfuscher. Hat der Ihnen wirklich die Weisheitszähne rausgenommen?« Bevor er mich bat, »Aaaaa« zu sagen, trat ich einen Schritt zurück.
    »Na ja, das war so eine Art Vorab-OP. Er hat den Mund gefügig gemacht und probeweise einen Zahn gezogen. Hier!« Ich öffnete kurz meinen Mund und zeigte auf eine Lücke im hinteren rechten Backenbereich. Der Zahn war mir schon vor vier Jahren gezogen worden. Ein Implantat hatte ich mir bis heute nicht leisten können. Oder anders formuliert: Ich hatte lieber in Sachen investiert, die man auf den ersten Blick sehen konnte, wie in den neuen Mantel. Die Zahnlücke erkannte man wirklich nur, wenn ich ganz doll lachte oder aber, wenn ich mit jemandem ganz doll auf Tuchfühlung ging. Sagen wir mal so: Ulf hatte mich noch nie darauf angesprochen. Immerhin besser eine Zahnlücke als eine irreparable Lücke auf und im Kopf, dachte ich, als ich Dotz ansah. Keine Haare drauf und kein Fünkchen Anstand drin.
    »Ach so. Aber nicht, dass Sie wegen der echten OP wieder eine Konferenz schwänzen. Noch mal lass ich so einen großenFisch nicht für Sie im Bassin. Dann hat den jemand anderes an der Angel.«
    Dotz war Hobbyfischer und jonglierte gerne auch in anderen Bereichen mit seinen Anglerfachbegriffen. »Ich brauche einen Köder für die Hörer, einen Köder, verstehen Sie? Die müssen anbeißen!«, forderte er gerne in Konferenzen, wenn wir stumm wie die Fische in die Gegend
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