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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian
Autoren: Anne Bishop
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werden mich nicht zur Landschafferin der Ersten Stufe aufsteigen lassen, nicht wahr?«, fragte das Mädchen in einem Tonfall, aus dem zum Teil Verzweiflung, mehr aber noch Zorn sprach.
    Lukene seufzte. »Nein, Nigelle, werden wir nicht. Die Lehrerschaft hat deine Fähigkeiten sorgfältig überprüft, bevor die Entscheidung fiel, aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass du zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die notwendigen Fertigkeiten entwickelt hast, um aufzusteigen. Und bis du nicht allen Anforderungen entsprichst, wirst du kein Landschafferabzeichen erhalten.«
    Nigelle ballte auf dem Tisch die Hand zur Faust. »Ich lerne seit vier Jahren. Man muss innerhalb von fünf Jahren Stufe Zwei oder mehr erreichen, um das Studium fortsetzen zu dürfen. Wie soll ich die Anforderungen für zwei Stufen in einem Jahr erfüllen, wenn Sie mich nicht einmal die Erste Stufe erreichen lassen?«
    Das kannst du nicht, dachte Lukene. Und das ist ein Glück für alle Beteiligten. »Was ist der Segen des Herzens?«, fragte sie laut.
    Die Augen des Mädchens wurden dunkel vor Zorn. »Ist das schon wieder ein Test, Professor Lukene? Obwohl ich keinen Sinn darin sehe, mir eine Frage zu stellen, die jedes Kind beantworten kann.«
    Wächter und Wahrer, lass es mich endlich so erklären, dass sie es auch versteht. »Dann sollte es dir nicht schwerfallen, die Frage zu beantworten«, erwiderte Lukene. »Der Segen des Herzens.«
    Nigelle lächelte höhnisch. »Reise leichten Herzens.«
    Lukene nickte. »Reise leichten Herzens. Denn was du mit dir bringst, wird Teil der Landschaft. Dies trifft auf jede Person dieser Welt zu. Und es trifft besonders auf uns Landschafferinnen zu, weil wir diejenigen sind, durch die in Ephemera entsteht, was all diese Herzen in sich tragen. Die Resonanz unserer Herzen ist das Fundament, durch das die Strömungen von Licht und Dunkel fließen. Sie bewahrt die Menschen vor dem Aufruhr ihrer eigenen Gefühle, während sie trotzdem zulässt, dass die wahren Wünsche des Herzens Wirklichkeit werden. Wir sind das Fundament, Nigelle. Alle anderen und auch Ephemera selbst sind davon abhängig, dass wir das Gleichgewicht zwischen den lichten und den dunklen Seiten in unserem Innern herstellen. Nur so können wir die lichten und dunklen Strömungen lenken, welche die wundervolle und doch schreckliche Macht dieser Welt bedeuten.«
    Nigelle fiel ihr ins Wort. »Das weiß ich alles.«
    »Hier oben.« Lukene berührte mit dem Finger ihre Schläfe. Dann zeigte sie auf ihre Brust. »Aber nicht hier. Du schleppst zu viel mit dir herum, Nigelle. Du kommst zwar zum Unterricht, aber du gibst dir nur oberflächlich Mühe, auch daran teilzunehmen. Du ärgerst dich oder wirst neidisch, wenn andere Schüler es schaffen, den Anforderungen gerecht zu werden und mit der nächsten Stufe weitermachen können, aber du bist nicht bereit, die gleiche Arbeit zu leisten wie sie, um dieses Ziel zu erreichen. Und trotzdem erwartest du von uns, dass wir dir  Macht über unsere Welt geben. Das können wir nicht tun. Mach die Augen auf, Nigelle. Sieh dir an, was du in deinem Garten entstehen lässt. Wenn sich das nicht ändert, wenn du dich nicht änderst, können wir es nicht zulassen, dass du Macht über Orte erlangst, an denen andere Menschen leben müssen.«
    In das Schmollen des Mädchens schlich sich etwas Hinterhältiges und Hässliches.
    »Ich kenne den wahren Grund, warum ich nicht aufsteigen darf.«
    Lukene seufzte. Warum hatte der »wahre« Grund nie etwas mit den Fähigkeiten des Schülers zu tun?
    »Ihr habt Angst vor mir«, stieß Nigelle hervor. »Ihr wisst, dass ich besser bin als ihr. Besser als alle hier. Ich bin wie Belladonna, und ihr könnt den Gedanken nicht ertragen, dass es eine andere Landschafferin gibt, die Dinge tun kann, die ihr euch nicht einmal vorstellen könnt.«
    Nicht fähig, das angsterfüllte Zittern, das sie überkam, zu verbergen, schwieg Lukene. Als Lehrer brach man das Gespräch grundsätzlich ab, wenn ein Schüler diesen  Namen erwähnte.
    Das Schweigen hielt eine Weile an, dann stand Nigelle mit einem leisen, gehässigen Lachen auf. »Denken Sie besser daran, wenn Sie das nächste Mal meine Arbeit bewerten.«
    Lukene wartete, bis Nigelle den Raum verlassen hatte, bevor sie flüsterte: »Wir werden daran denken. Wir werden mit Sicherheit daran denken.«
    Als sie aufstand, musste sie sich mit den Händen auf der Tischplatte abstützen, so sehr zitterten ihre Beine. Sie war noch keine vierzig, aber im Moment
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