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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian
Autoren: Anne Bishop
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fühlte sie sich uralt.
    »Ich weiß, dass sie notwendig sind«, hörte sie eine männliche Stimme von der Tür, »aber dreimal im Jahr diese Bewertungen auszusprechen, macht den Lehrern mehr zu schaffen als den Schülern.«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie den groß gewachsenen Mann ansah, der im Türrahmen stand. »Gregor.«
    Er ging durch den Raum auf sie zu und legte eine warme, starke Hand auf ihre Schulter. Sie gab sich dieser Stärke, dieser Wärme hin und erwiderte die Geste, als er sie in die Arme schloss.
    »Hattest du einen harten Tag?«, fragte Gregor und strich ihr mit der Wange über das Haar.
    »Nicht so schlimm … bis auf die letzte Schülerin.«
    »Was hat sie denn angestellt?«
    »Sie hat den Namen ausgesprochen, den jeder Lehrer dieser Schule fürchtet.«
    Gregor versteifte sich. »Belladonna.«
    Lukene nickte. »Sie hat mich gebrochen, Gregor. Ich habe Angst gezeigt.«
    »Und das mit gutem Grund, wenn mehr dahinter steckt, als eine verklärte Schulmädchenvorstellung von einer Landschafferin, die die Gemeinschaft verlassen hat.«
    »Eher ein neuer Versuch, die Lehrerschaft durch Manipulation dazu zu bewegen, ihr einen Status zuzugestehen, den sie nicht verdient hat.« Sie lehnte sich weit genug zurück, um den Mann anzusehen, der Oberster Lehrer der Brückenbauer war - und ihr Liebhaber. »Und wie war dein Tag?«
    »Besser als deiner. Jungen Männern mit der Fähigkeit, eine Verbindung zwischen den Landschaften zu erschaffen, etwas beizubringen, ist nicht annähernd so anstrengend, wie die jungen Frauen zu unterrichten, die diese Landschaften einmal kontrollieren werden.« Er sah sie an, und an seinen dunklen Augen konnte sie ablesen, wie besorgt er um sie war. »Warum besuchst du nicht für ein, zwei Tage die Heiligen Stätten?«
    »Vielleicht werde ich das wirklich. Aber ich glaube, dass ich jetzt hier sein sollte, falls die anderen Lehrer …«  Sie brach den Satz ab, bekam die Worte nicht über die Lippen.
    »Falls die anderen Lehrer zu dem Schluss kommen, dass dieses Mädchen zu gefährlich ist und eingeschlossen werden muss«, vollendete Gregor düster. Als Lukene nickte, fragte er: »Ist sie so gefährlich? Könnte sie eine neue Belladonna sein?«
    Lukene dachte einen Moment nach und schüttelte dann den Kopf. »Sie trägt genug Wut und … seelischen Unrat … in sich, um die Resonanz dunkler Landschaften zu treffen, aber sie wird nie sein wie Belladonna. Sie hat nicht ihre Macht - oder ihren Mut.«
     Nigelle funkelte jeden Schüler, dessen Weg sie kreuzte, wütend an, als sie den breiten, mit weißen Steinplatten ausgelegten Weg entlanglief, der sie zu ihrem von Mauern umgebenen Garten führen würde. Sie hätte von dem Augenblick an wissen müssen, dass die Lehrer gegen sie waren, in dem sie gesehen hatte, wie weit ihr Übungsplatz von den Hauptgebäuden der Schule entfernt lag.  Andere Schüler hatten Übungsplätze, die man von den Klassenzimmern zu Fuß in fünf Minuten erreichen konnte. Zugegeben, es gab nicht viele Schüler, denen ein Platz in den von Mauern eingefassten Gärten der Lehrerschaft gewährt wurde, aber es gab ein paar, und sie hätte eine von ihnen sein sollen.
    »Elende, kaltherzige Schlampe«, murmelte sie. Abrupt schlug sie einen anderen Weg ein, der zurück zur Schule führte. Einen Weg, der, obwohl er genauso gepflegt war, wie die anderen, immer ein wenig staubig und unbenutzt wirkte. Einen Weg, den Schüler nicht bis zum Ende gehen durften, wenn sie nicht in Begleitung eines Lehrers waren. Vielleicht faszinierte er sie gerade deswegen so sehr. Ein paar Mal im Jahr riskierte sie es, ihn entlangzuschleichen, um über das Rätsel am Ende des Weges nachzudenken.
    Der Weg endete in einem Torbogen, der die einzige Lücke in der hohen Steinmauer darstellte. In der Mitte des Gartens lag ein weiterer Garten, umgeben von einer hohen Mauer, in die ein verschlossenes schmiedeeisernes Tor eingelassen war. Das einzige, was zwischen den Mauern des inneren und des äußeren Gartens wuchs, waren große, aufgedunsene Pilze und Dornenbüsche, die Früchte von der Farbe einer eitrigen Wunde trugen.
    Unter den Schülern gab es das Gerücht, dass sich die Wächter der Dunkelheit zur Mondfinsternis auf das Schulgelände schlichen, die Pilze und Früchte ernteten und aus ihnen mit den Herzen der Menschen, die sie in ihre dunklen Landschaften gelockt hatten, eine Mahlzeit zubereiteten.
    Sie mochte diese Geschichte. Manche Nacht hatte sie damit verbracht, sich
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