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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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aufgetaucht; angesichts des knappen Dutzends Sklaven, die sie begleiteten, waren sie vermutlich auf dem Weg zum Marktplatz. In Anbetracht der komplizierten Regeln des Werbens war es natürlich unumgänglich, dass sie stehen geblieben waren, um der plötzlichen, zweifellos aus dem Stegreif inszenierten Zurschaustellung kriegerischer Künste zuzuschauen. Schließlich wurde von Mayen erwartet, dass sie alle Brüder Forchts mit angemessenem Respekt behandelte.
    Auch wenn an der Szene, die Trull beobachtete, nichts Unziemliches war, verspürte er dennoch ein leichtes Unbehagen. Rhulads Eifer, sich vor der zukünftigen Ehefrau seines ältesten Bruders zu brüsten, ging an die Grenzen dessen, was als schickliches Verhalten galt. Trull war der Ansicht, dass Forcht Rhulad gegenüber viel zu viel Nachsicht zeigte.
    Wie wir alle. Natürlich gab es Gründe dafür.
    Rhulad hatte seinen Freund aus Kindertagen in dem Scheinkampf ganz eindeutig besiegt, wie an seinem vor Stolz geröteten, hübschen Gesicht unschwer zu erkennen war. »Trull!« Er schwenkte sein Schwert. »Ich habe heute Blut vergossen, und jetzt dürstet es mich nach mehr! Komm, kratz den Rost von dem Schwert, das du an deiner Seite trägst!«
    »Ein andermal, Bruder«, rief Trull zurück. »Ich muss unverzüglich mit unserem Vater sprechen.«
    Rhulads Grinsen war durchaus freundlich, keine Frage, aber selbst aus zehn Schritt Entfernung konnte Trull erkennen, wie seine klaren grauen Augen triumphierend aufblitzten. »Dann ein andermal«, sagte er und winkte ein letztes Mal zum Abschied mit dem Schwert, während er sich wieder zu den Frauen umdrehte.
    Doch Mayen hatte ihren Begleiterinnen einen Wink gegeben, und die Gruppe hatte sich bereits wieder in Bewegung gesetzt.
    Rhulad machte den Mund auf, um etwas zu ihr zu sagen, doch Trull sprach als Erster: »Bruder, ich lade dich ein, mich zu begleiten. Die Neuigkeiten, die ich unserem Vater überbringen muss, sind von großer Bedeutung, und ich hätte gerne, dass du dabei bist, so dass auch deine Worte zu der Diskussion beitragen, die sich anschließen wird.« Solch eine Einladung erging normalerweise nur an Krieger, die Jahre des Kampfes hinter sich hatten, und Trull sah, wie die Augen seines Bruders voller Stolz aufleuchteten.
    »Ich bin geehrt, Trull«, sagte er und schob sein Schwert in die Scheide.
    Rhulad ließ Midik stehen, der sich um eine Schwertwunde an seinem Handgelenk kümmerte, und trat an Trulls Seite; gemeinsam machten sie sich zum Langhaus ihrer Familie auf.
    Die äußeren Mauern waren mit Trophäen bestückt – erbeutete Schilde, von denen viele jahrhundertealt und von der Sonne gebleicht waren. Walknochen hingen unter dem vorspringenden Dach. Totems, die rivalisierenden Stämmen gestohlen worden waren, bildeten einen chaotischen Bogen über dem Eingang; die Fellstreifen, mit Perlen verzierten Lederteile, Muschelschalen, Krallen und Zähne sahen aus wie ein in die Länge gezogenes Vogelnest.
    Sie gingen hinein.
    Die Luft war kühl, roch leicht beißend nach Holzrauch. Zwischen Wandteppichen und aufgespannten Fellen standen Öllampen in Wandnischen. Der traditionelle Herdstein in der Mitte des Raums, an dem einst jede Familie ihre Mahlzeiten zubereitet hatte, war immer noch mit Asche gefüllt, obwohl die Sklaven mittlerweile in Küchen arbeiteten, die hinter dem eigentlichen Langhaus lagen, um das Risiko eines Brandes zu verringern. Schwarzholzmöbel kennzeichneten die verschiedenen Räume, obwohl keine Trennwände vorhanden waren. Dutzende von Waffen hingen an Haken von den Kreuzbalken; einige davon stammten noch aus den frühesten Tagen, aus jener dunklen Zeit unmittelbar nach dem Verschwinden von Vater Schatten, als die Kunst, Eisen zu schmieden, verloren gewesen war, und die grobe Bronze dieser Waffen war zerfressen und verbogen.
    Direkt hinter dem Herdstein erhob sich der Stamm eines lebenden Schwarzholzbaumes, aus dem knapp über Mannshöhe das obere Drittel eines Langschwerts nach draußen und in die Höhe ragte: eine echte Emurlahn-Klinge, deren Stahl auf eine Weise bearbeitet war, die die Schmiede erst wiederentdecken mussten. Das Schwert der Familie Sengar, Symbol ihrer adligen Abstammung; normalerweise waren diese ursprünglichen Waffen der adligen Familien, die am Stamm befestigt wurden, wenn der Baum noch ein Schössling war, nach Jahrhunderten nicht mehr zu erkennen, da sie sich im Innern des Stamms, dicht beim Kernholz befanden. Doch auf irgendeine Weise hatte sich dieser besondere Baum
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