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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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Dieser Feind musste auch keine Waffe in der Hand halten – selbst die Hilflosen und Unschuldigen würden Bekanntschaft mit der Klinge machen. Ein solches Gemetzel zeichnete Krieger und Opfer gleichermaßen.
    Doch Trull wusste nur zu gut, dass er dem bevorstehenden Töten zwar mit Abscheu entgegensah, dies aber nur sich selbst gegenüber zugeben und an der Seite seiner Brüder dahinschreiten würde, das Schwert in der Hand, um das Strafgericht der Edur auf die Eindringlinge herabzubringen. Es bestand keine andere Möglichkeit. Wenn man dieses Verbrechen nicht ahndete, würden noch mehr folgen, in niemals endenden Wellen.
    Sein gleichmäßiger Laufschritt führte ihn an den Gerbereien mit ihren Trögen und steingefassten Gruben vorbei zum Waldrand. Ein paar Letherii-Sklaven schauten in seine Richtung und neigten voller Ehrerbietung schnell den Kopf, bis er vorbei war. Die hoch aufragende Palisade aus Zedernstämmen erhob sich auf der Lichtung vor ihm, und darüber hingen lang gezogene Schwaden aus Holzrauch. Felder mit fruchtbarer, schwarzer Erde erstreckten sich zu beiden Seiten des schmalen, erhöhten Wegs, der zum entfernten Tor führte. Der Winter hatte gerade erst begonnen, seinen eisigen Griff um die Erde zu lockern, und bis zur ersten Aussaat würden noch Wochen vergehen. Im Hochsommer würde es beinahe dreißig verschiedene Arten von Pflanzen auf diesen Feldern geben, die als Nahrung, Heilmittel, Fasern und Viehfutter dienten, und viele dieser dreißig verschiedenen Pflanzen würden Blüten tragen und die Bienen anlocken, die wiederum für Honig und Wachs sorgten. Die Frauen des Stammes würden die Sklaven bei der Ernte beaufsichtigen. Die Männer würden sich in kleinen Gruppen in den Wald begeben, um Holz zu schlagen oder zu jagen, während andere sich in die Knarriboote setzen würden, um Robben und Fische zu fangen.
    So würde es zumindest sein, wenn Frieden unter den Stämmen herrschte. In den letzten zwölf Jahren waren mehr Kriegstrupps als andere Gruppen aufgebrochen, und so hatten die Angehörigen seines Volkes gelegentlich gelitten. Vor dem Krieg hatte es bei den Edur niemals Hungersnöte gegeben. Trull wünschte sich ein Ende dieser Raubzüge. Hannan Mosag, der Hexenkönig der Hiroth, war jetzt oberster Herrscher über alle Stämme der Edur. Aus einem Haufen sich bekriegender Stämme war ein Bund geschaffen worden – obwohl Trull Sengar sehr wohl wusste, dass dieser Bund nur dem Namen nach bestand. Hannan Mosag hielt die erstgeborenen Söhne der unterworfenen Häuptlinge als Geiseln – sie bildeten seinen K’risnan-Kader – und herrschte als Diktator. Ein mit Waffengewalt erzwungener Friede also, aber dennoch ein Friede.
    Vom Palisadentor kam ihm ein Mann entgegen, den er kannte, er näherte sich der Gabelung, an der Trull nun Halt machte. »Ich grüße dich, Binadas«, sagte er.
    Auf dem Rücken seines jüngeren Bruders war ein Speer befestigt, und an einer Hüfte ruhte ein Lederbündel, das über eine Schulter geschlungen war; auf der anderen Seite befand sich ein einschneidiges Langschwert in einer lederumwickelten, hölzernen Scheide. Binadas war einen halben Kopf größer als Trull, sein Gesicht so wettergegerbt wie seine Wildlederkleidung. Von Trulls drei Brüdern war Binadas der unnahbarste, am wenigsten fassbare, weshalb seine Handlungen schwer vorauszusagen und noch weniger zu verstehen waren. Er hielt sich nur unregelmäßig im Dorf auf, schien die Wildnis der westlichen Wälder und die Berge im Süden vorzuziehen. Er hatte sich den anderen auf ihren Raubzügen nur selten angeschlossen, doch wenn er zurückkehrte, brachte er häufig die Trophäen von Bravourstückchen mit, und niemand zweifelte an seiner Tapferkeit.
    »Du bist außer Atem, Trull«, bemerkte Binadas, »und ich sehe wieder einmal Sorge in deinem Gesicht.«
    »Auf der Höhe der Calach-Bänke liegen Letherii-Schiffe vor Anker.«
    Binadas runzelte die Stirn. »Dann sollte ich dich nicht aufhalten.«
    »Wirst du lange wegbleiben, Bruder?«
    Der Angesprochene zuckte die Schultern, schritt dann an Trull vorbei und folgte der westlichen Gabelung des Pfads.
    Trull Sengar setzte seinen Weg fort, durch das Tor und in das Dorf.
    Vier Schmieden beherrschten dieses zum Landesinneren hin gelegene Ende des geräumigen, von einer Mauer umgebenen Innenbereichs. Jede einzelne war von einem tiefen, steil abfallenden Graben umgeben, die ihrerseits in einen abgedeckten Kanal mündeten, der vom Dorf und den umliegenden Feldern wegführte.
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