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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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auf den reptilienartigen Leichnamen nieder.
    Einen Augenblick später nahm er wieder seine Tiste-Edur-Gestalt an. Haut in der Farbe gehämmerten Eisens, lange, offen herabfallende graue Haare, ein hageres Adlergesicht mit eng beieinander stehenden Augen. Ein breiter Mund mit herabgezogenen Mundwinkeln, der aussah, als hätte er noch nie gelacht. Eine hohe, faltenfreie Stirn, auf der diagonale Narben verliefen, die sich hell gegen seine dunkle Haut abzeichneten. Er trug einen ledernen Harnisch, an dem sein zweihändiges Schwert befestigt war, und einen Gurt mit Langmessern um die Hüfte. Von seinen Schultern hing ein schuppiger Umhang – die Haut einer Matrone, so frisch, dass die natürlichen Öle sie noch immer glänzen ließen.
    Da stand er nun – eine große, von zahllosen Blutspritzern gesprenkelte Gestalt, und schaute zu, wie sich die Legionen neu formierten. Offiziere der Edur sahen in seine Richtung und machten sich daran, ihren Truppen Anweisungen zu erteilen.
    Jetzt blickte Scabandari gen Nordwesten, starrte aus zusammengekniffenen Augen in die aufgeblähten Wolken. Einen Augenblick später brach ein riesiger, knochenweißer Drache aus ihnen hervor, der fast noch größer wirkte als Scabandari in seiner Drachengestalt. Auch er war blutverschmiert – und viel von diesem Blut stammte von ihm selbst, denn Silchas Ruin hatte an der Seite seiner Andii-Verwandten gegen die K’ell-Jäger gekämpft.
    Scabandari beobachtete, wie sein Verbündeter näher kam, trat nur einen Schritt zurück, als der gewaltige Drache sich auf der Hügelkuppe niederließ und sich dann schnell verwandelte – in ein Wesen, das mehr als einen Kopf größer war als der Wechselgänger aus dem Volk der Tiste Edur. Doch er war entsetzlich hager, die Muskelstränge zeichneten sich wie Seile unter seiner glatten, beinah durchsichtigen Haut ab. In den dichten, langen weißen Haaren des Kriegers schimmerten die Krallen eines Raubtiers. Seine roten Augen leuchteten so hell, dass sie fiebrig wirkten. Silchas Ruin war verwundet: Spuren mehrerer Schwerthiebe zogen sich über seinen Körper. Der größte Teil der Rüstung, die seinen Oberkörper bedeckt hatte, war abgefallen, so dass das sich verzweigende Geflecht aus Adern und Arterien unter der dünnen Haut seiner haarlosen Brust deutlich zu erkennen war. Auch seine Beine waren blutverschmiert, ebenso wie seine Arme. Die beiden Schwertscheiden an seinen Hüften waren leer; beide Waffen waren abgebrochen – trotz der eingewobenen Schutzzauber, mit denen sie ausgestattet gewesen waren. Er hatte einen verzweifelten Kampf gefochten.
    Scabandari neigte grüßend den Kopf. »Silchas Ruin, mein Bruder im Geiste. Treuester aller Verbündeten. Seht Euch die Ebene an – wir haben gesiegt!«
    Das farblose Gesicht des Albino-Tiste-Andii verzog sich zu einem stummen Grinsen.
    »Meine Legionen sind Euch spät zu Hilfe gekommen«, sagte Scabandari. »Deswegen brechen mir Eure Verluste das Herz. Dennoch – jetzt halten wir das Tor, oder? Der Weg, der auf diese Welt führt, gehört uns, und die Welt selbst liegt vor uns – wartet darauf, dass wir sie plündern und Reiche errichten, die unserer Völker würdig sind.«
    Ruins langfingrige, blutbefleckte Hände zuckten, und er wandte sich der Ebene unter ihm zu. Die Legionen der Edur hatten sich zu einem groben Ring formiert, der die wenigen überlebenden Andii umschloss. »Tod verseucht die Luft«, knurrte Silchas Ruin. »Ich kann kaum Luft zum Sprechen holen.«
    »Später wird noch genügend Zeit sein, um neue Pläne zu schmieden«, sagte Scabandari.
    »Mein Volk ist hingeschlachtet worden. Jetzt umringt Ihr uns, doch Euer Schutz kommt viel zu spät.«
    »Jetzt ist er eben eher symbolisch gemeint, mein Bruder. Es gibt noch andere Tiste Andii auf dieser Welt – das habt Ihr selbst gesagt. Ihr müsst nur jene erste Welle finden, und Ihr werdet wieder stark sein. Außerdem werden andere kommen. Meine wie Eure Art, wir sind auf der Flucht vor unserer Niederlage.«
    Silchas Ruins Stirnrunzeln vertiefte sich. »Der Sieg dieses Tages ist eine bittere Alternative.«
    »Die K’Chain Che’Malle sind fast dahin – so viel wissen wir. Wir haben die vielen anderen verlassenen Städte gesehen. Jetzt ist nur noch Morn übrig, und das liegt auf einem weit entfernten Kontinent – und in ebendiesem Augenblick zerbrechen dort die Kurzschwänze ihre Ketten in blutiger Rebellion. Ein Feind, der uneins ist, ist ein Feind, der bald fallen wird, mein Freund. Wer auf dieser Welt
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