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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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verdreht, so dass die Waffe aus dem Innern herausgetrieben worden und die schwarzsilberne Klinge wieder zum Vorschein gekommen war. Ungewöhnlich, aber nicht einzigartig.
    Beide Brüder streckten die Hand aus und berührten die Klinge, als sie vorübergingen.
    Sie sahen Uruth, ihre Mutter, die flankiert von Sklaven an den Wandteppichen arbeitete, auf denen die Geschichte ihres Geschlechts aufgezeichnet war; sie beendete gerade die letzten Szenen von der Teilnahme der Sengars am Vereinigungskrieg. Sie war voll und ganz mit ihrer Arbeit beschäftigt und blickte nicht auf, als ihre Söhne an ihr vorbeischritten.
    Tomad Sengar saß mit drei anderen adligen Patriarchen um ein Spielbrett herum, das aus einem großen schaufelförmigen Geweih gefertigt war; die geschnitzten Spielfiguren bestanden aus Elfenbein und Jade.
    Trull blieb am Rand des Kreises stehen. Er legte seine rechte Hand auf den Schwertknauf, womit er andeutete, dass die Worte, die er überbrachte, sowohl dringend als auch möglicherweise gefährlich waren. Er hörte, wie Rhulad hinter ihm scharf die Luft einsog.
    Obwohl keiner der älteren Männer aufblickte, erhoben sich Tomads Gäste alle gleichzeitig, als wären sie ein einziges Wesen, während Tomad sich daranmachte, die Spielfiguren wegzupacken. Die drei Älteren gingen schweigend, und einen Moment später stellte Tomad das Spielbrett beiseite und ließ sich wieder auf seinen Platz sinken.
    Trull setzte sich ihm gegenüber. »Sei gegrüßt, Vater. Eine Flotte der Letherii jagt auf den Calach-Bänken. Die Robbenherden sind früh gekommen, und jetzt werden sie abgeschlachtet. Ich habe das alles mit eigenen Augen gesehen und bin ohne Halt zu machen zurückgekehrt.«
    Tomad nickte. »Dann bist du also drei Tage und zwei Nächte lang gerannt.«
    »Das bin ich.«
    »Und die Letherii hatten bereits mit dem Töten angefangen?«
    »Vater, heute Morgen zur Zeit der Dämmerung wird Tochter Menandore gesehen haben, dass die Laderäume der Schiffe bis zum Bersten gefüllt waren und ihre Segel sich im Wind bauschten und ein jedes Schiff einen Strom aus Blut im Kielwasser hinter sich ließ.«
    »Und neue Schiffe werden angekommen sein, um die Plätze der vorigen einzunehmen!«, zischte Rhulad.
    Tomad runzelte angesichts des ungehörigen Verhaltens seines jüngsten Sohnes die Stirn, und seine folgenden Worte zeigten seine Missbilligung nur allzu deutlich: »Rhulad, überbringe diese Neuigkeiten Hannan Mosag.«
    Trull spürte, wie sein Bruder zusammenzuckte, doch Rhulad nickte. »Wie du befiehlst, Vater.« Er drehte sich um und stapfte davon.
    Tomads Stirnrunzeln vertiefte sich. »Du hast einen ungebluteten Krieger zu diesem Gespräch eingeladen?«
    »Das habe ich, Vater.«
    »Warum?«
    Trull antwortete nicht. Er wollte nicht antworten, denn er hatte nicht vor, seine Besorgnis über Rhulads unschickliches Gebaren gegenüber Forchts Verlobter in Worte zu fassen.
    Nach einem kurzen Augenblick seufzte Tomad tief. Er schien seine großen, narbigen Hände zu betrachten, die auf seinen Oberschenkeln ruhten. »Wir sind selbstgefällig geworden«, brummte er.
    »Vater, ist es selbstgefällig, diejenigen, mit denen man Umgang hat, für ehrenwert zu erachten?«
    »In Anbetracht der vorangegangenen Ereignisse – ja.«
    »Und warum hat der Hexenkönig dann einem Großen Treffen mit den Letherii zugestimmt?«
    Der Blick aus Tomads dunklen Augen flackerte auf und heftete sich auf Trulls Gesicht. Von sämtlichen Söhnen Tomads konnte nur Forchts Blick sich perfekt und unerschütterlich mit dem seines Vaters messen – seine Augen hatten die gleiche Farbe und manchmal lag in ihnen auch die gleiche Härte. Wider Willen spürte Trull, wie er unter dem verächtlichen Blick seines Vaters etwas zusammenschrumpfte.
    »Ich ziehe meine dumme Frage zurück«, sagte er und brach den Blickkontakt ab, um seine Bestürzung zu verbergen. Ein Kräftemessen von Feinden. In Anbetracht der unausweichlichen Reaktion der Edur wird dieser Verstoß – ganz egal, was sein ursprüngliches Ziel gewesen sein mag – zu einer zweischneidigen Klinge werden. Und zwar zu einer, die beide Völker ergreifen werden. »Die ungebluteten Krieger werden zufrieden sein.«
    »Die ungebluteten Krieger werden eines Tages in der Ratsversammlung sitzen, Trull.«
    »Ist das nicht die Belohnung, die der Frieden bringt, Vater?«
    Darauf antwortete Tomad nicht. »Hannan Mosag wird die Ratsversammlung einberufen. Du musst dabei sein, um zu berichten, was du gesehen hast. Darüber
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